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Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Titel: Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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und lächelte mit schmalen Lippen.
    »Eine Bancroft«, wiederholte sie.
    Er hielt ihr seinen Füller hin. Er war nicht nur gekommen, um Erklärungen abzugeben; er wollte ihre Unterschrift. In dreifacher Ausführung. Sagen Sie Ja .
    Nachdem er gegangen war, die unterzeichneten Dokumente sorgfältig in seinem Aktenkoffer verstaut, tigerte Andrea in ihrem Wohnzimmer auf und ab: ausgelassen und ängstlich zugleich. Sie hatte unverhofft das große Los gezogen – und fühlte
sich auf unerklärliche Weise beraubt. Doch diese Unlogik war irgendwie logisch: Ihr ganzes Leben – das Leben, das sie gekannt, das sie zu gestalten versucht hatte – würde sich bis zu Unkenntlichkeit verändern, und das war natürlich auch ein Verlust.
    Ihr Blick glitt wieder durchs Wohnzimmer. Sie hatte das Ikea-Sofa mit einem schönen Berberteppich als Überwurf aufgemotzt. Er wirkte luxuriös, obwohl sie ihn für lächerlich wenig Geld auf einem Flohmarkt gekauft hatte. Der Couchtisch von Pier 1 sah mindestens doppelt so teuer aus, als er tatsächlich gewesen war. Und die Korbmöbel – nun, solche Möbel standen auch in teuren Villen auf Nantucket Island, oder?
    Unwichtig, wie Horace Linville alles gesehen hatte. Wie sah sie ihre Einrichtung jetzt? Andrea hatte sich eingeredet, sie ziele auf schäbigen Chic ab. Aber bei nüchterner Betrachtung sahen ihre Möbel vielleicht einfach nur schäbig aus. Zwölf Millionen Dollar. Heute Morgen hatte sie dreitausend Dollar auf ihrem Sparbuch gehabt. Aus der Sicht eines Finanzprofis – als Kauforder eines Fonds, als Gesamtsumme einer geplanten Transaktion, als Tranche von Wandelschuldverschreibungen – waren zwölf Millionen nicht viel. Aber als tatsächliches Guthaben auf dem eigenen Bankkonto? Das überstieg beinahe ihr Fassungsvermögen. Andrea konnte den Betrag nicht einmal laut aussprechen. Sie hatte es im Gespräch mit Horace Linville, Esq., versucht, begann aber zu kichern und täuschte rasch einen Hustenanfall vor. Zwölf Millionen Dollar. Diese drei Wörter gingen ihr immer wieder durch den Kopf wie die einprägsame Melodie eines Werbespots.
    Noch vor wenigen Stunden war es ein Grund zur Befriedigung gewesen, dass sie achtzigtausend Dollar im Jahr verdiente  – und hoffen durfte, bald ein sechsstelliges Gehalt zu bekommen. Und jetzt? Sie hatte keine rechte Vorstellung von dieser Summe, die nicht in die private kleine Welt von Andrea Bancroft passte. Ihr fiel etwas Verrücktes ein: Schottland hatte ungefähr
fünf Millionen Einwohner. Also hätte sie – eine der albernen Ideen, die wie Fliegen durch ihr Bewusstsein schwirrten – jedem einzelnen Schotten ein paar Beutel Kartoffelchips schenken können.
    Sie erinnerte sich daran, wie sie erstarrt war, als Linville ihr seinen Füller in die Hand gedrückt hatte. An die langen Augenblicke, die verstrichen waren, bevor sie ihren Namen unter die Schriftstücke gesetzt hatte. Wieso war ihr das so schwergefallen?
    Andrea lief weiter auf und ab: wie betäubt, fröhlich gestimmt und zugleich eigenartig erregt. Wieso war es ihr so schwergefallen, Ja zu sagen? Sie erinnerte sich an Linvilles Worte: Eine Bancroft …
    Genau das, was sie sich praktisch ihr Leben lang nicht zu sein bemüht hatte. Was nicht hieß, dass das viel Anstrengung erfordert hätte. Ihre Mutter hatte sich nach sieben Ehejahren von Reynold Bancroft scheiden lassen. Plötzlich war sie nicht nur die alleinerziehende Mutter eines kleinen Mädchens, sondern eine Außenseiterin gewesen. Aber sie war gewarnt worden, nicht wahr? Der Ehevertrag – auf dem die Anwälte der Familie bestanden hatten, den sie aufgesetzt hatten – bestimmte eindeutig, dass sie alle Ansprüche verlor, wenn sie die Scheidung einreichte. Diese Vereinbarung würde aus Prinzip durchgesetzt werden – vielleicht auch, wie ihre Mutter einmal düster vermutet hatte, als abschreckendes Beispiel für andere. An das Wohl von Mutter und Kind verschwendete der Clan keinen einzigen Gedanken. Trotzdem hatte die Geschiedene ihren Entschluss nie bereut.
    Ihre Ehe mit Reynold Bancroft war nicht nur unglücklich, sondern viel schlimmer gewesen: Sie führte zu Verbitterung. Laura Parry war ein Kleinstadtmädchen, das wie eine Großstadtschönheit aussah, aber ihre Schönheit hatte ihr nie das erhoffte Glück gebracht. Der reiche junge Mann, der sie feurig umworben hatte, wurde in der Ehe mürrisch, fühlte sich gefangen, sogar hereingelegt, als sei ihre Schwangerschaft eine Art Falle gewesen. Er
wurde reizbar, kalt

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