Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
durchlöcherten.
»Haben Sie Lust auf einen Bissen Birne? Ich glaube, diese hätte Lust, Sie zu beißen.« Belknap betätigte einen Hebel im Rahmen
des schweren Eisenstuhls, und eine Klappe in der Sitzfläche sprang auf. »Sie werden sehen, ich nehme meine Arbeit ernst. Ich bin keiner, der dabei auf die Uhr sieht. Verlassen Sie sich darauf: Was getan werden muss, wird getan, so lange es nötig ist. Wenn Sie dann morgen früh aufgefunden werden …«
»Nein!«, jaulte der Wachmann auf, und sein schweißnasser Körper begann scharfen Angstgeruch zu verströmen. Belknaps Rechnung schien aufzugehen: Die bevorstehende Erniedrigung durch das gewaltsame Eindringen in seinen Körper erschreckte den Gefangenen offenbar nicht weniger als die blutige Agonie, die folgen würde.
»Keine Sorge, Sie können sich ruhig gehen lassen«, fuhr Belknap unerbittlich fort. »Das Wundervolle an diesem Raum ist, dass Sie hier so laut und so lange schreien können, wie Sie wollen. Trotzdem hört kein Mensch etwas. Wenn Sie dann wie gesagt morgen früh aufgefunden werden …«
»Ich sage Ihnen, was Sie wissen wollen«, stieß der Wachmann mit Tränen in der Stimme hervor. »Ich sag’s Ihnen!«
»Das Dienstmädchen«, blaffte Belknap. »Wer ist sie? Wo ist sie?«
Der Gefangene blinzelte. »Sie ist verschwunden. Wir dachten … wir dachten, Sie hätten sie beseitigt.«
Belknap zog die Augenbrauen hoch. »Wann ist sie eingestellt worden? Wer ist sie?«
»Vor ungefähr acht Monaten. Sie ist genau überprüft worden. Dafür habe ich gesorgt. Achtzehn Jahre alt. Lucia Zingaretti. Wohnt bei ihren Eltern drüben in Trastevere. Eine alte Familie. Ärmlich, aber angesehen. Und sehr fromm, wie man hört.«
»Also Leute, die es gewöhnt sind, einer höheren Macht bedingungslos zu gehorchen«, stellte Belknap fest. »Wo?«
»Sie haben eine Erdgeschosswohnung in der Via Clarice Marescotti. Chalil Ansari war sehr misstrauisch in Bezug auf Leute, die seine Häuser betreten durften. Das musste er auch sein.«
»Sie ist seit der Nacht verschwunden, in der Ansari ermordet wurde?«
Jussuf Ali nickte. »Wir haben sie nie wieder gesehen.«
»Und Sie … wie lange waren Sie bei Ansari?«
»Neun Jahre.«
»Sie müssen viel über ihn erfahren haben.«
»Viel und doch wieder wenig. Nur genug, um ihm gut dienen zu können. Aber nicht mehr.«
»Es hat einen Amerikaner gegeben. Er ist in Beirut entführt worden. In der Nacht, in der Ansari ermordet wurde.« Während Belknap sprach, behielt er den Tunesier scharf im Auge. »Hat Ansari das arrangiert?«
»Das weiß ich nicht.« Die Antwort klang gleichmütig, ausdruckslos. Nicht sorgfältig ausgedacht. »Darüber sind wir nicht informiert worden.«
Belknap starrte den Tunesier erneut prüfend an und kam zu dem Schluss, er sage die Wahrheit. Hier würde es keine Abkürzungen geben, aber er hatte eigentlich auch keine erwartet.
In den folgenden zwanzig Minuten schürfte er tiefer und gewann endlich eine vage Vorstellung von Ansaris Etablissement in der Via Angelo Masina. Das Bild blieb jedoch ein aus großen Fliesen zusammengesetztes grobes Mosaik. Jussuf Ali war lediglich darüber informiert worden, die Geschäfte seines ehemaligen Bosses würden unter neuer Leitung weitergeführt. Das Management würde größtenteils übernommen werden. Der Sicherheitsverstoß war analysiert und abgestellt worden. Das Sicherheitspersonal sollte wachsam bleiben, bis weitere Anweisungen kamen. Von den Ereignissen in Beirut oder dem Bekaa-Tal hatte der Gefangene keine direkte Kenntnis. Natürlich hatte Ansari Verbindungen dorthin; das wusste jeder. Aber Jussuf Ali war nie damit befasst gewesen. Man stellte keine unnötigen Fragen, wenn man in Chalil Ansaris Diensten bleiben wollte.
Aber Jussuf Ali war der Sicherheitschef der Villa in der Via Angelo Masina. Also blieb nur noch das Dienstmädchen übrig. Belknaps einzige Fährte. Er brauchte den Tunesier nicht weiter zu bedrängen, damit er ihm die genaue Adresse ihrer Eltern nannte.
Die Luft in der Kammer war schwül, abgestanden. Schließlich sah Belknap erneut auf seine Uhr. Er hatte vielleicht nicht alles, aber doch alles, was er diesmal herausbekommen würde. Ihm wurde bewusst, dass er weiter la pera in der Hand hielt, sie während der gesamten Vernehmung umklammert hatte. Jetzt legte er sie weg und trat an die Tür des schalldichten Verlieses. »Morgen werden Sie hier aufgefunden«, erklärte er Jussuf Ali.
»Warten Sie!«, sagte der Gefangene leise, aber
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