Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
wetten? Das waren alles Morde. Manche nur besser getarnt als andere. Und Gianni?«
»Schwerer Herzanfall. Erst vor ein paar Minuten.«
»Verdammt!«, rief Belknap aufgebracht aus.
»Hast du mir alle Namen auf dieser Liste gesagt?«, fragte Gomes.
»Klar doch«, behauptete Belknap und trennte die Verbindung. Alle Namen bis auf einen: Todd Belknap.
Was bedeutete das? Die Erklärung lag auf der Hand. Diese Leute wären Ansaris Netzwerk – oder seinen neuen Herren – gefährlich geworden. Aber weshalb genau? Hatte es innerhalb des Netzwerks eine Palastrevolution gegeben? Und wie hing sie mit Jared Rineharts Entführung zusammen, falls es überhaupt einen Zusammenhang gab?
Belknaps Kopfhaut kribbelte vor Unbehagen. Die Liste . Alles deutete auf ein Großreinemachen hin. Solche Maßnahmen wurden typischerweise vor wichtigen Operationen ergriffen, die für die weitere Zukunft entscheidend sein würden. Das konnte bedeuten, dass ihm noch weniger Zeit blieb als befürchtet, um Pollux zu finden.
Vielleicht war es bereits zu spät.
Etwas anderes nagte an seinen Gedanken. Angesichts der offenkundigen Skrupellosigkeit der Verantwortlichen war es umso verwunderlicher, dass Lucia Zingaretti nicht gleich in Rom liquidiert worden war. Weshalb warteten sie ab, bis sein Eintreffen eine Lösung erzwang? War sie ihnen auf eine Weise nützlich gewesen, die Belknap entgangen war? So verwirrend dieser Fall auch war, gestattete er doch eine winzige Hoffnung – die Hoffnung, auch Pollux könnte noch am Leben sein.
Die junge Italienerin hatte gesagt, sie sei jenseits der Dau-Werft in der Marwat-Straße festgehalten worden. Dorthin konnte Belknap jetzt mit seinem gemieteten Geländewagen fahren. Vielleicht gab es andere, denen sie sich anvertraut hatte. Vielleicht hatte der Besitzer der Einrichtung die Informationen, die er brauchte.
Das Handy, das er dem Anführer der Todesschwadron abgenommen hatte, vibrierte lautlos. Er meldete sich mit einem neutralen: »Ja?« Zu seiner Überraschung kam der Anruf von einer Frau.
»Hallo, ist dort …?« Die Frau – eine Amerikanerin – verstummte.
Belknap gab keine Antwort, und Sekunden später legte die Anruferin mit einer gemurmelten Entschuldigung auf. Ein Kontrollanruf bei der Schwadron? Falsch verbunden? Aus den angezeigten Verbindungsdaten ging hervor, dass der Anruf aus den USA gekommen war. Bestimmt hatte die Frau sich nicht nur verwählt; diese Möglichkeit schied seiner Überzeugung nach aus. Er rief erneut Gomes an.
»Ich kann nicht ständig für dich recherchieren, Castor«, nörgelte Gomes, als Belknap ihm die Telefonnummer vorlas. »Kapiert?«
»Hör zu, du willst doch einem Bruder helfen, stimmt’s? Ich bin etwas in Eile. Also reiß dich gefälligst zusammen! Bloß diese gottverdammte Nummer, einverstanden?«
Wenige Minuten später meldete Gomes sich wieder. »Okay, Mann, ich habe Jane Does Namen identifiziert, hab auch ein paar Informationen über sie eingeholt.«
»Vieles spricht dafür, dass sie die gottverdammte Fürstin der Finsternis ist«, sagte Belknap grimmig.
»Yeah, nun, ihr gewöhnlicher Name ist Andrea Bancroft.«
Belknap horchte auf. »Eine dieser Bancrofts?«
»Genau. Sie ist gerade in den Stiftungsrat der Bancroft-Stiftung eingetreten.« Großspurig fragte er: »Da staunst du, was?«
Andrea Bancroft. Was hatte sie mit den Morden zu schaffen? Wie weit oben war sie angesiedelt? Konnte sie etwas über Jared Rineharts Entführung wissen, war sie etwa daran beteiligt gewesen? Es gab zu viele Fragen, zu viele Ungewissheiten. Aber Belknap glaubte nicht an »Zufälle«. Diese Verbindung war nicht versehentlich zustande gekommen. Alles schien darauf hinzuweisen, dass Andrea Bancroft eine gefährliche Person war oder sich zumindest in gefährlicher Gesellschaft bewegte.
Als Nächstes telefonierte Belknap mit einem pensionierten Agenten, mit dem er jahrelang nicht mehr gesprochen hatte. Unwichtig. Der Deckname des Mannes war Navajo Blue, und Navajo Blue war Belknap einen Gefallen schuldig.
Einige Minuten später tauchte eine Halle aus Hohlblocksteinen vor ihm auf. Das Gebäude lag hinter einigen Industriebauten etwas abseits der Straße. Es war sandfarben und wirkte fast baufällig und schien in der Hitze förmlich zu vibrieren. Wie die junge Italienerin sie beschrieben hatte, diente die ehemalige Lagerhalle jetzt als Umschlagplatz für Prostituierte. Dieser Platz hatte bestimmt schon alle möglichen Leute aus allen möglichen sozialen Schichten
Weitere Kostenlose Bücher