Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
blasenschwachen alten Hund ansehen würde, der einen See gemacht hat. Sheila rief wöchentlich einmal an, und ihre Fragen hatten etwas Fürsorgliches an sich. Sie benahm sich wie eine pflichtbewusste Erwachsene, die kontrollierte, ob ihm nichts fehlte und er keine Dummheiten machte. Tatsächlich fühlte er sich wie ein altes Auto, das, auf Hohlblocksteinen stehend, verrostet. Ein häufiger Anblick in dieser Gegend.
Er nahm die Glaskanne aus der Kaffeemaschine und füllte einen Becher mit dem einst witzigen Aufdruck: LÄSST DIESER BODY MICH DICK AUSSEHEN? Dann kippte er einen gehäuften Teelöffel Zucker hinein. Sheilas vorwurfsvollen Blick brauchte er nicht mehr zu fürchten, richtig? Er konnte so viel Zucker nehmen, wie er wollte. Wie das Motto des Bundesstaats New Hampshire lautete: frei leben oder sterben!
Sein Dodge-Pick-up sprang sofort an, aber nach zweistündiger Fahrt auf der Turnpike schien der Kaffee zu Pisse und Magensäure geworden zu sein. Ein Raststättenbesuch löste das eine Problem; eine Rolle Tums versuchte, dem anderen entgegenzuwirken. Schließlich schlief ihm der Hintern ein, was an der Sitzfederung liegen musste. Vielleicht hätte er sich doch eines dieser Spezialkissen kaufen sollen, die alle Fernfahrer mit Hämorrhoiden benutzten.
Bis nach Carlyle, Connecticut, brauchte er über vier Stunden und war bei der Ankunft in miserabler Stimmung. Vier gottverdammte Stunden seines Lebens. In denen er … was hätte tun können? Trotzdem. Vier Stunden. »Nur ein Katzensprung«, hatte Castor gesagt. Vier Stunden waren kein Katzensprung.
Aber der Job würde ein Kinderspiel sein. Das wusste er, nachdem er die Elm Street ein paarmal zur Erkundung hinuntergefahren war. Die hiesige Polizei war ein Witz. Und die besagte Lady wohnte in einem Cape-Cod-Haus, das einem Puppenhaus glich. Ohne sichtbare Sicherheitsmaßnahmen. Eine Veranda mit Fliegengittern. Fensterscheiben aus gewöhnlichem Glas. Keine niedrigen Sträucher am Haus, die IR-Bewegungsmelder hätten tarnen können. Er hätte ihn nicht überrascht, wenn sie sogar vergessen hätte, ihre Haustür abzusperren.
Trotzdem war dieser Trip eine Geschäftsreise, kein Vergnügungsausflug; er war schließlich ein Profi. Castor hatte ihm diesen Auftrag sicher nicht grundlos erteilt. Es war jetzt Zeit für die Navajo Blue Show.
Er stellte seinen Pick-up hundert Meter vom Haus entfernt auf der anderen Straßenseite ab. Er stieg aus – welch eine Erleichterung, dem eigenen Mief und den eigenen Fürzen zu entkommen. Sein silbergrauer Overall war mit der gestickten Aufschrift SERVICE MASTER auf der linken Brusttasche versehen. Er trug eine lederne Werkzeugtasche in der Hand. Jeder musste ihn
für einen Servicetechniker halten. Kein Mann, den man eines zweiten Blickes würdigte, wenn man ihn nicht selbst angefordert hatte. An der Elm Street lagen lauter ordentlich gemähte Rechtecke mit Stauden, die abwechselnd aus den Gartenkatalogspalten A und B stammten: rote Berberitzen, blaue Wacholder, flache Eiben, Forsythien – alle in dem Siedlungsbrei eingebürgert, der den Nordosten jetzt weithin bedeckte. Tom verdrehte den Kopf und begutachtete die Häuser auf beiden Straßenseiten, so weit er sehen konnte. Vier Pflanzenarten, vier Haustypen. In den USA ist jeder Einzelne etwas Besonderes, richtig?
Navajo Blue sah eine leere Garage, kein Auto in der Einfahrt. Hinter den Fenstern war niemand zu sehen. Niemand zu Hause. Er ging zur Haustür, klingelte und war darauf vorbereitet, so zu tun, als habe er sich in der Adresse geirrt, falls jemand aufmachte. Wie erwartet blieb die Tür jedoch zu. Er ging ums Haus herum nach hinten und fand die Stelle, wo die Telefonleitung und das Koaxialkabel ins Haus kamen. Nichts einfacher, als dort eine Wanze anzubringen. Der Miniatursender, den er verwenden würde – wie viele ehemalige Agenten besaß er noch eine ganze Trickkiste mit solchen Geräten – war nichts Besonderes, aber in der Praxis erprobt und zuverlässig. Er kniete sich hin und nahm ein Gerät aus der Werkzeugtasche, das wie ein Kabeltester aussah – ein kleines, schwarzes Plastikding von der Größe eines Garagenöffners mit einem LCD-Display. Er griff mit einer Hand unter die Kabel. Dabei ertastete er einen kleinen, länglichen Gegenstand, der sich ein wenig wie eine AA-Batterie und sehr wie ein Telefonabhörgerät anfühlte.
Was zum Teufel sollte das?
Er betrachtete es mit zusammengekniffenen Augen. Jemand war ihm zuvorgekommen. Die Telefonleitung war
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