Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
feuchte Augen hatte.
Gott sei Dank, dass ich dich habe, hatte Belknap zu ihm gesagt. Denn du bist alles, was ich noch habe .
Und jetzt? Was hatte er jetzt?
Belknap ließ den einzigen wahren Freund, den er besaß, im Stich. Ja, er ließ den Mann im Stich, der ihn nie im Stich gelassen hatte.
Der Geländewagen erzitterte, als er auf der mit Sand bedeckten Straße über mehrere Grate rollte, und Belknap riss sich von den Zinnen der fernen Bergkette und den Ocker- und Gelbtönen der Wüstenlandschaft los. Obwohl er erst vor zwei Stunden getankt hatte, warf er immer mal wieder einen Blick auf die Benzinuhr. Vor ihnen drängte sich eine Gruppe von Häusern aus Lehmziegeln im Schutz einer steilen Felswand zusammen. Über ihr kreisten mehrere Vögel.
»Falken!«, rief Bas und deutete aufgeregt auf sie.
»Wie du, Bas«, sagte Belknap, um ihm zu zeigen, dass er verstanden hatte. Der Junge war zu Anfang der Fahrt redselig gewesen, dann aber schweigsam geworden, und Belknap wollte sichergehen, dass er durchhielt, falls es Schwierigkeiten gab. Sobald Dubai hinter ihnen lag, begutachtete Bas in dem beleuchteten Schminkspiegel in der rechten Sonnenblende sein Augen-Make-up und machte sich daran, es abzureiben. Belknap gab ihm dafür ein Papiertaschentuch. Seit das Make-up weitgehend entfernt war, war es leichter, den Jungen zu erkennen, der er gewesen war, bevor Habib Almani ihn hatte entführen lassen. Bas erzählte, sein Vater habe ihn zum Imam bestimmt, und sein Großvater habe ihn von frühester Kindheit an Koransuren auswendig lernen lassen. Von seinem Großvater, der als Händler weit herumgekommen war, hatte er auch Englisch gelernt. Bas war von dem Radio des Geländewagens fasziniert und probierte in der ersten halben Stunde einen Sender nach dem anderen aus.
Vor ihnen erschien ein Dorf aus Lehmziegelhäusern, das an ein Schwalbennest erinnerte. In dem Wadi am Fuß der Felswand stand ein reich verziertes großes Zelt. Sein Stoff – anscheinend cremeweiße Seide – raschelte in der leichten Brise.
»Ist das unser Ziel? Ist er dort?«
»Ja«, bestätigte Bas mit gepresster Stimme.
Dort drinnen würde der omanische Prinz Hof halten. Vor dem Zelt hielten sechs oder sieben Männer in Turbanen und Kaftanen, alle von der Sonne verbrannt, alle bis zur Ausmergelung mager, in lockerer Linie Wache. Bas hatte gesagt, Almani sei auf seiner jährlichen Rundreise zu den Dörfern seines weit verstreuten Stammes, um Rechenschaftsberichte von Dorfvorstehern und Dorfältesten entgegenzunehmen und sie anschließend zu beschenken. So funktionierte die im Grunde noch feudale Gesellschaftsordnung der Golfstaaten.
Belknap betrat das Zelt und merkte, dass er über Seidenteppiche ging. Ein Diener starrte ihn erschrocken an, überschüttete ihn mit einem arabischen Wortschwall und gestikulierte aufgeregt. Belknap erkannte, dass der Mann entsetzt war, weil er seine Schuhe nicht ausgezogen hatte. Das geringste deiner Probleme, dachte er.
Bas hatte erzählt, der Prinz sei ein wohlbeleibter Mann, aber das war eine Untertreibung. Almani war ein Fettwanst: nur mittelgroß und mindestens hundertzwanzig Kilo schwer. So war er leicht zu erkennen. Er saß wie auf einem Thron in einem Korbsessel zurückgelehnt. Auf dem Teppich neben ihm lag ein Häufchen billiger, aber protzig wirkender Schmuckstücke, die offenbar für die Dorfältesten bestimmt waren, die ihn besuchten. Einer von ihnen, der in schmuddeliges Musselin gekleidet war, ging eben barfuß davon und betrachtete sichtlich stolz eine vergoldete Quarzuhr, die er geschenkt bekommen hatte.
»Sie sind Habib Almani«, sagte Belknap.
»Mein lieber Sir«, antwortete der Mann mit leicht aufgerissenen Augen und einer eleganten Handbewegung. An seinen dicken Fingern glitzerten und funkelten schwere Brillantringe. In der Schärpe um seinen Wanst steckte ein chandjar , ein mit Edelsteinen besetzter Zierdolch. Er sprach mit so affektiertem englischem Akzent, dass Belknap sich wie im Athenaeum Club vorkam. »Wir haben hier so selten amerikanischen Besuch. Sie müssen meine bescheidene, rein provisorische Unterkunft entschuldigen. Wir sind hier eben nicht in Maskat! Und was verschafft uns das Vergnügen Ihres Besuchs?« Der abweisende Blick seiner kleinen Augen stand in krassem Widerspruch zu seiner umständlichen Höflichkeit.
»Ich bin hier, weil ich Informationen brauche.«
»Sie kommen zu diesem bescheidenen omanischen Prinzen, um Auskünfte zu erhalten? Vielleicht eine Wegbeschreibung? Wie
Weitere Kostenlose Bücher