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Die Bank

Die Bank

Titel: Die Bank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
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»Teilen und erobern. So funktioniert es immer.«

46. Kapitel
    Ich kann nicht schlafen. Selbst als wir noch klein waren und Charlie und ich uns Horrorgeschichten über Leute erzählt haben, die in unserem Haus wohnten, hat Charlie immer als erster geschnarcht. Und auch heute nacht ist das nicht anders.
    Während ich an die schwarzen Risse in unserer Stuckdecke starre, höre ich das Weinen meiner Mom. Und wie Dellacosta verschwindet. Warum hat mir nie jemand was davon erzählt? Ich ringe immer noch um die Antwort und höre dabei dem Rhythmus von Charlies mühsamem Atmen zu. Als er krank war, war das noch viel schlimmer. Ein feuchtes, abgehacktes Keuchen, das mich über ihn wachen ließ wie ein menschlicher Herzmonitor. Dieses Geräusch verfolgt einen für immer. Wie das Schluchzen meiner Mom. Aber als ich mich umdrehe und Charlie ansehe, während die Minuten verstreichen, versuche ich mich mit dem Gedanken zu trösten, daß wir endlich eine Pause haben. Mit den Fotos und der Schweigepflichtsvereinbarung und den Hinweisen auf Five Points Capital gibt es endlich einen winzigen Lichtblick am Ende des Tunnels. Doch der wird wie aus dem Nichts durch ein leises Klopfen an der Fensterscheibe ausgelöscht.
    Ich fahre hoch.
    Das Klopfen hört auf. Ich rühre mich nicht. Und dann fängt es wieder an.
    »Charlie, steh auf!« flüstere ich.
    Er regt sich nicht.
    »Oliver.« Die Stimme kommt von draußen.
    Ich springe aus dem Bett und bemühe mich, dabei keinen Lärm zu machen. Wenn ich schreie, dann wissen sie, daß wir wach sind. Ich will meinem Bruder gerade die Decke herunterziehen …
    »Oliver, bist du da?« fragt die Stimme.
    Ich lasse die Decke los. Das ist nicht irgendeine Stimme …
    »Oliver, ich bin’s.«
    … sondern eine Stimme, die ich kenne. Ich laufe zur Tür und sehe hastig durch das Guckloch, nur um sicherzugehen.
    »Mach auf …«
    Ich öffne die Schlösser, mache die Tür einen Spalt auf und spähe hinaus.
    »Entschuldige, habe ich dich geweckt?« Gillian lächelt. Sie steckt ihre Hände in die Hosentaschen und tanzt von einem Fuß auf den anderen.
    »Was machst du hier?« flüstere ich.
    »Weiß nicht. Ich mußte immer an die Fernbedienung denken und an die Fotos und … ich konnte einfach nicht einschlafen, und da dachte ich …« Sie unterbricht sich und wirft einen Blick auf meine Boxershorts. Ich erröte, und sie lacht. »Hör mal, ich weiß, daß ihr eure Gründe hattet, aber ich weiß trotzdem zu schätzen, was ihr wegen meines Vaters unternommen habt. Er würde es euch danken.«
    Ich erröte noch stärker.
    »Ich meine es ernst«, sagt sie.
    »Ist mir klar.«
    Sie genießt den Moment. »Wann hast du Geburtstag?«
    »Was?«
    »Was bist du? Widder oder Löwe? Melville und Hitchcock waren Löwen, aber …« Sie registriert meine Reaktion. »Du bist ein Widder, hab ich recht?«
    »Woher weißt du …?«
    »Komm schon, es steht auf deiner Stirn geschrieben. Die perfekte Haltung, der tadelnde väterliche Tonfall, wenn du mit deinem Bruder redest, selbst die makellosen weißen Boxershorts …«
    »Die sind brandneu.«
    »Eindeutig«, sagt sie und starrt darauf. Ich erröte erneut, und sie lacht wieder. »Komm«, sagt sie. »Zieh dir was über. Ich lasse mich von dir zu einem billigen Kaffee einladen.«
    Ich blicke über sie hinweg und mustere die leere Straße. Selbst um diese Zeit ist es nicht klug, da herumzulaufen. »Wie wär’s mit einem Gutschein?«
    Gillian weicht zurück und sieht aus wie ein getretenes Hündchen.
    »Damit meine ich nicht, daß du gehen sollst …«, füge ich rasch hinzu.
    Sie bleibt stehen und dreht sich wieder um. »Ich soll also bleiben?«
    Es ist ein Spiel, und wir beide wissen es. Charlie würde mir dringend raten, die Tür zu schließen, aber dann würde ich nur die ganze Nacht wachliegen. »Ich sage nur, daß ich vorsichtig sein muß.«
    »Ach so, wegen der … Ich habe nicht daran gedacht …« Sie stottert ganz süß. So was kann man nicht vortäuschen. »Natürlich will ich, daß du vorsichtig bist. Eigentlich …«
    »Was denn?«
    »Schnapp dir ein paar Schuhe«, sagt sie und strahlt. »Ich habe eine Idee.«
    »Ausgehen? Ich glaube nicht, daß …«
    »Vertrau mir! Hinterher wirst du mir dankbar sein, garantiert. Es wird außerdem niemand merken, daß wir weg waren.«
    »Bist du sicher, daß es ungefährlich ist?«
    »Ich würde dich nicht bitten, wenn es nicht sicher wäre«, sagt sie, plötzlich ernst geworden. »Schon gar nicht, weil wir beide drinstecken.«
    Damit

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