Die Bank
Monats beträgt immer noch vierhundertzwanzig Dollar, aber die Rechnung ist, wie der Briefkopf besagt, nicht mehr an Maggie gerichtet. Der Name auf der Adresse lautet jetzt: Charlie Caruso.
»Was hast du da gemacht?« frage ich.
»Es ist nicht ihre Rechnung«, sagt er. »Sie sollte nicht auf ihren Schultern lasten.«
Er steht da mit den Händen in der Tasche und hat eine Ruhe in seiner Stimme, die ich schon seit Jahren nicht mehr gehört habe. Dennoch ist die Übernahme der Krankenhausrechnung sicherlich eine der überstürztesten, unnötigsten und unbegründetsten Entscheidungen, die mein Bruder jemals gefällt hat. Deshalb sage ich ihm auch die Wahrheit. »Gut für dich, Charlie.«
»Gut für dich? Ist das alles? Du willst mir keine Einzelheiten aus der Nase ziehen? Warum ich die Änderung eingeleitet habe? Wie es funktioniert hat? Wie ich es mir überhaupt leisten kann?«
Ich schüttele den Kopf. »Mom hat mir bereits alles über deinen Job erzählt.«
»Sie hat es dir erzählt? Was hat sie dir erzählt?«
»Was gibt es da viel zu erzählen? Es ist ein Job als Illustrator bei Behnke Publishing. Zehn Stunden am Tag Zeichnungen für eine Reihe von Computerhandbüchern anfertigen. Es ist so langweilig, wie Schuhcreme beim Trocknen zu beobachten. Aber man kassiert sechzehn Dollar pro Stunde. Wie ich schon sagte, gut für …«
Der laute Knall der Wohnungstür unterbricht uns. »Ich sehe gutaussehende Burschen!« ruft Mom, als wir uns umdrehen. Sie balanciert zwei braune Papiereinkaufstüten in ihren Armen. Charlie stürzt sich auf die eine, ich übernehme die andere. Als sie die Hände frei hat, wird ihr Lächeln noch breiter, und sie umarmt uns.
»Vorsichtig mit meinen Nähten …«, sagt Charlie.
Sie läßt ihn los und sieht ihn an. »Du verweigerst deiner Mutter eine Umarmung?«
Er hütet sich, weiter zu protestieren, und läßt sich von ihr einen feuchten Kuß auf die Wange geben.
»Charlie hat mir gesagt, daß er deine Umarmungen haßt«, mische ich mich ein. »Er hat gesagt, er hofft, daß du ihm nicht noch eine aufzwingst.«
»Fang gar nicht erst an. Du bist der nächste«, warnt sie mich. Sie drückt mir einen dicken Schmatzer auf die Wange und bemerkt dann die Kisten und Kartons auf dem Boden. Sie kann sich kaum noch zurückhalten. »Ach, meine Jungs sind wieder da!« Sie lacht und folgt uns in die Küche.
Charlie fängt an, die Lebensmittel wegzuräumen. Ich bedenke die Charlie-Brown-Keksdose auf dem Tresen mit einem langen Blick und kaue bereits wieder auf meiner Unterlippe. Ich kann mich kaum zurückhalten, die Dose zu öffnen. Aber diesmal tue ich das nicht.
»Und ratet mal, für wen ich ein Geschenk habe?« fragt Mom und hat sofort meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Sie zieht einen blauen Plastikbeutel aus einer der Einkaufstaschen. »Ich habe es im Nähladen entdeckt und konnte einfach nicht widerstehen …«
»Mom, ich habe dir doch gesagt, du sollst mir nichts kaufen.« Ich stöhne.
Sie achtet nicht weiter darauf, dafür ist sie viel zu aufgeregt. Sie greift in den Beutel, zieht ein Tuch heraus. In roten Strichen leuchten die Worte: Blühe, wo du gesät wurdest.
»Was denkt ihr?« fragt Mom. »Nur ein kleines Wiedersehensgeschenk. Ich kann es in einen Rahmen hängen oder auf ein Kissen sticken.«
Wie die meisten von Moms Stickarbeiten ist der Spruch uns viel zu kitschig.
»Wunderschön«, lüge ich.
»Find ich auch«, heuchelt Charlie. Er zieht seinen Notizblock heraus und schreibt, so schnell er kann, die Worte auf: Blühe, wo du gesät wurdest.
»Ich habe übrigens die Mutter von Randy Boxer im Stoffgeschäft getroffen«, fährt Mom, an Charlie gewandt, fort. »Sie war ja so froh, daß du angerufen hast. Sie hat sich den ganzen Tag darüber gefreut.«
»Randy Boxers Mom?« frage ich. »Warum hast du sie denn angerufen?«
»Ich habe eigentlich versucht, Randys Nummer herauszubekommen«, erklärt er, als wäre das die alltäglichste Sache von der Welt.
»Wirklich?« frage ich und bemerke, wie beiläufig er antwortet. Mich kann er nicht zum Narren halten. Er hat Randy seit mindestens vier Jahren nicht mehr gesehen. »Und was ist der Grund für dieses so plötzliche Wiedersehen?«
Mein Bruder dreht sich zu den Lebensmitteln um und will nichts sagen. »Nicht jetzt«, sagt er, ohne mich anzusehen. »Erst, wenn alles soweit ist.«
»Charlie …«
Er denkt noch mal darüber nach. Was auch immer es ist, es macht ihn nervös. »Wir denken darüber nach, vielleicht … eine Band zu
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