Die Bank
dein eigenes Heim gezogen bist. Ich erinnere mich noch sehr genau, wie stolz du an diesem Tag gewesen bist. Im College haben alle deine Freunde in Studentenwohnheimen gehaust, und du mußtest zu Hause bleiben und pendeln. Aber kaum hattest du deine Prüfung bestanden … Ich weiß genau, was dir deine eigene Wohnung bedeutet hat, Oliver. Und jetzt, wo du wieder hier einziehst, kannst du mir nicht erzählen, daß du nicht am Boden zerstört bist.«
»Bin ich nicht.«
»Bist du nicht«, stimmt er mir zu und mustert immer noch mein Gesicht. Es ist vielleicht nur ein befristeter Umzug, aber es ist einer, der mir guttut.
»Also glaubst du, daß in diesem Zimmer immer noch zwei schlafen können?« frage ich und deute auf die Pyramide von Lautsprechern an der Stelle, an der früher mein Bett stand.
»Zwei sind okay. Ich bin nur froh, daß es nicht drei sind«, sagt er skeptisch.
»Was soll das denn heißen?«
»Deine Freundin Beth hat vorhin angerufen. Sie meint, dein Telefon wäre nicht mehr in Betrieb.«
»Und …?«
»Und sie wollte dich sprechen. Sie sagte, ihr beide hätte euch getrennt.«
Diesmal antworte ich nicht.
»Also, wer hat sich von wem getrennt?« setzt Charlie unnachgiebig nach.
»Spielt das eine Rolle?«
»Und ob das eine Rolle spielt.« Er berührt die haarfeine Narbe an seinem Hals, die immer noch gerötet ist.
»Seit wann bist du so ernst?«
»Beantworte einfach die Frage, Oliver.«
»Wenn du dich besser fühlst … Ich war derjenige, der sich von ihr …«
»Oh, heilige Maria, ich bin geheilt!« ruft Charlie und hebt seine Schulter hoch. »Mein Arm! Er funktioniert! Mein Herz! Das reinste Kraftwerk!«
Ich verdrehe die Augen. »Ja, sie wird dich auch vermissen, aber wie wäre es, wenn du mir dabei hilfst, den Rest meiner Sachen hereinzutragen?«
Er schaut auf seine Schulter und umklammert sie. »Au, mein Arm … Ich kriege keine Luft mehr!«
»Komm, du Simulant, schieb deinen Hintern aus dem Bett. Die Ärzte sagen, daß du kerngesund bist.« Ich reiße die Decke weg und sehe, daß Charlie vollkommen angekleidet ist. Er trägt Jeans und Socken. »Du bist wirklich mies, weißt du das?«
»Nein, mies wäre es, wenn ich noch Turnschuhe tragen würde.« Er springt aus dem Bett, folgt mir ins Wohnzimmer und sieht meinen anderen Leinensack, zwei große Kisten und ein paar Kartons voller CDs, Videos und alten Fotos. Mehr ist nicht übriggeblieben. Das einzige Möbelstück habe ich schon gestern abend hereingeschafft: Meine Kommode, die ich bei meinem Auszug mitgenommen habe. Sie gehört hierhin.
»Wo ist denn dein Bett von Calvinius Kleinchen?« erkundigt sich Charlie neugierig.
»Mom meinte, daß sie mein altes Bett noch im Keller verstaut hat. Ich bin sicher, das genügt.«
»Genügt?« Er schüttelt den Kopf. »Ollie, das ist dumm. Ganz gleich, wie gut du schauspielern kannst, ich höre den Schmerz in deiner Stimme. Wenn du willst, können wir ein paar von meinen Lautsprechern verpfänden. Das gibt dir mindestens einen Monat Luft, in dem du …«
»Es wird schon gehen«, unterbreche ich ihn, während ich mir den anderen Seesack schnappe. »Wir werden es auf jeden Fall schaffen.«
»Aber wenn du keinen Job hast …«
»Glaub mir, hier draußen fliegen jede Menge guter Ideen herum.«
»Was denn, willst du wieder T-Shirts verkaufen? Damit kannst du kein Geld verdienen.«
Ich lasse meinen Seesack zu Boden sinken, lege die Hand auf seine gesunde Schulter und sehe ihm direkt in die Augen. »Ich brauche nur eine einzige gute Idee, Charlie. Und ich werde schon über sie stolpern.«
»Also gut, wir haben den College-Ollie und den Bank-Ollie überstanden. Mit welchem haben wir es denn jetzt zu tun? Dem Unternehmer-Ollie? Dem dynamischen Ollie?«
»Wie wäre es mit dem wahren Ollie?«
Das gefällt ihm.
Während ich ins Eßzimmer gehe, fühle ich mich, als würde eine neue Kraft mich durchströmen. »Ich sage dir, Charlie, da ich jetzt genug Zeit habe, wird mir nichts mehr im Weg …«
Ich unterbreche mich, als mein Blick auf den aufgerissenen Umschlag am Rand des Tisches fällt. Der Absender ist das Coney Island Hospital. »Haben sie uns jetzt schon eine neue Rechnung geschickt?«
»So ähnlich«, sagt Charlie und versucht, die Sache unter den Teppich zu kehren.
Also, irgendwas ist da im Busch. Ich greife sofort nach dem Umschlag. Als ich die Rechnung auseinanderfalte, ist alles wie immer. Die Gesamtsumme beläuft sich auf einundachtzigtausend Dollar, die Rate zahlbar am Ende des
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