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Die Bank

Die Bank

Titel: Die Bank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
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sechzigjährige Frau hinter einem alten Metallschreibtisch, die gelangweilt in einer zerfledderten Ausgabe von einer Klatschzeitung blättert.
    Charlie steuert geradewegs auf die Klingel zu. Bitte klingeln.
    »Es ist offen.« Die Frau schaut nicht einmal auf. Ein kleiner Stoß gegen die Tür, und wir sind drin.
    »Hallo«, sage ich zu der Frau, die uns immer noch nicht ansieht. »Ich möchte gern …«
    »Hab ich …!« kreischt jemand. Aus dem Hinterzimmer kommt ein drahtiger Mann in einem weißen Golfhemd. Er schiebt den roten Vorhang beiseite und tritt vor, um uns zu begrüßen. Er hat leicht vorstehende Augen, einen etwas zurückweichenden Haaransatz und nach hinten gekämmte Haare. »Ist das ein Notfall?«
    »Eigentlich kommen wir von …«
    »Ich weiß, wer Sie geschickt hat«, sagt er. Er starrt mißtrauisch über unsere Schulter auf die Straße. In seinem Beruf ist das vermutlich purer Instinkt. Sicher ist sicher. Nachdem er sich davon überzeugt hat, daß wir allein sind, winkt er uns in das Hinterzimmer.
    Wir folgen ihm, und mein Blick streift die verblaßten und veralteten Reiseposter an den Wänden. Bahamas … Hawaii … Florida. Jedes Poster zeigt Frauen mit üppigem Haar und Männern mit Schnurrbärten. Die Aufschriften datieren sie auf die späten achtziger Jahre, und ich bin überzeugt, daß sie seit langem nicht mehr angerührt worden sind. Reisebüro? Meine Güte!
    »Immer hereinspaziert!« ruft der Mann und hält den Vorhang hoch, der den Durchgang zum Hinterzimmer verdeckt.
    »Und achten Sie nicht auf den Mann hinter dem Vorhang«, sagt Charlie. Er versucht schon wieder, gut Wetter zu machen.
    »Das ist richtig«, stimmt ihm der Mann zu. »Aber wenn ich Oz bin, wer sind Sie? Der feige Löwe?«
    »Nein, der feige Löwe ist er«, sagt Charlie und deutet auf mich. »Ich sehe mich selbst eher als Toto oder vielleicht als den fliegenden Affen, natürlich der Anführer, nicht einer dieser einfachen Primatenlakaien, die nur im Hintergrund herumstehen.«
    Oz kämpft gegen ein Lächeln, vergeblich.
    »Wie ich gehört habe, müßt Ihr nach Miami.« Der Mann tritt hinter seinen Schreibtisch, der mitten in dem kleinen schäbigen Zimmer steht. Es hat etwa dieselben Ausmaße wie mein Wohnzimmer, ist aber mit einem Kopierer, einem Aktenvernichter und einem Computer versehen, der mit einem Hightech-Drucker verbunden ist. An den Wänden um uns herum stapeln sich Dutzende brauner neutraler Kartons. Ich möchte nicht wissen, was sich da drin befindet.
    »Können wir anfangen?« frage ich.
    »Das hängt von euch ab«, erwidert Oz und reibt Daumen und Mittelfinger aneinander.
    Charlie wirft mir einen Blick zu, und ich greife nach dem Bündel Banknoten in meiner Brieftasche. »Dreitausend, richtig?«
    »Wird jedenfalls behauptet«, erwidert Oz. Er ist wieder ernst.
    »Ich weiß es wirklich zu schätzen, daß Sie uns helfen«, sagt Charlie. Er bemüht sich um eine lockere Atmosphäre.
    »Ich tue euch keinen Gefallen, Junge. Das ist ein reines Geschäft.« Er bückt sich und zieht die unterste Schublade seines Schreibtischs heraus, entnimmt ihr zwei Gegenstände und wirft sie in unsere Richtung. Ich fange den einen, Charlie den anderen.
    »Haarfärbemittel«, liest Charlie laut vor. Auf seiner Schachtel sieht man eine Frau mit hellblondem Haar. Das Model auf meiner Packung hat rabenschwarzes.
    Oz zeigt uns das Badezimmer in der Ecke. »Wenn ihr wirklich verschwinden wollt«, erklärt er, »müßt ihr ganz oben anfangen.«
     
    Zwanzig Minuten später starre ich in den schmierigen Spiegel. Die Wirkung des billigen Färbemittels verblüfft mich. »Wie sieht es aus?« frage ich und kämme mir ordentlich mein frisch gefärbtes schwarzes Haar.
    »Wie Buddy Holly«, erwidert Charlie und schaut über meine Schulter. »Nur spießiger.«
    »Danke, Doris Day.«
    »Heh, wenigstens sehe ich nicht so aus wie die Freunde meiner Mutter«, erwidert Charlie.
    Ich werfe einen prüfenden Blick in den Spiegel. »Wen meinst du …?«
    »Seid ihr beiden bald soweit?« unterbricht uns Oz. »Dann kann es weitergehen.«
    Die Realität hat uns wieder, als wir aus dem Bad kommen. Ich spiele immer noch mit meinem Haar. Charlie hat sich schon daran gewöhnt. Immerhin ist es nicht das erste Mal, daß er seine Haarfarbe gewechselt hat. Blond in der zehnten Klasse und dunkelviolett in der zwölften.
    »Stellt euch hierhin, und zieht die Jalousie runter«, sagt Oz und deutet auf ein Fenster des Hinterzimmers. Auf dem Boden befindet sich ein kleines X

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