Die Bank
Nach Süden. Nonstop nach Miami.
30. Kapitel
Joey starrte auf Gallos Nacken, als er die Straße überquerte und zu dem Wohnhaus ging. Auf halbem Weg warf er seinen Kumpeln im Lieferwagen einen kurzen Seitenblick zu. Die blinkten zur Antwort kurz mit den Scheinwerfern. Dann fuhr der Lieferwagen aus der Parklücke und rauschte an Joeys Wagen vorbei.
»Nett, daß wir uns gesehen haben!« schrie der Fahrer ihr zu.
Sie zwang sich zu einem Grinsen und tat, als spielte es keine Rolle. Typische Technokraten, dachte sie, während sich der Wagen aus ihrem Blickfeld entfernte. Innerhalb von Sekunden war das Abhörteam verschwunden. Und als Gallo in das Gebäude trat, mit ihm auch ihr größtes Hindernis.
»Was war das eben?« fragte Noreen in ihrem Ohr.
»Nichts«, erwiderte Joey schnell. Sie stieß die Wagentür auf und ging zum Kofferraum.
»Vielleicht solltest du den Boß anrufen. Er hat noch ein paar gute Freunde im Service.«
»Nicht jetzt, Noreen«, sagte Joey. Ihre Stimme klang seltsam hohl, als sie sich in den Kofferraum beugte. Sie zog einen glänzenden Aluminiumkoffer heraus und balancierte ihn auf dem Rand. Die Schlösser öffneten sich mit einem Klacken. Das Innere des Koffers sah aus wie eine High-Tech-Gerätekiste, mit stapelbaren Tabletts, auf denen Drähte, Mikrofone und kleine Metallgeräte lagen, die an winzige Handys erinnerten. Am unteren Ende des Koffers befand sich ein klobiger Empfänger und zusammenklappbare Kopfhörer.
»Was hast du vor?« Noreens Stimme klang besorgt. »Wo bist du?«
Joey antwortete nicht. Sie steckte die Sachen, die sie brauchte, in ihre Taschen und überquerte die Straße.
»Du gehst doch wohl nicht zurück in die Wohnung?«
»Nein.« Joey beschleunigte ihre Schritte.
»Ich habe gehört, wie du mit der Pralinenschachtel herumgespielt hast. Sag mir sofort, wo du hingehst.«
Joey blieb vor Gallos und DeSanctis Wagen stehen.
»Sie haben alle meine Wanzen einkassiert, Noreen, und du weißt selbst, wie schwer es ist, wieder reinzukommen, während sie zuhören …«
»Moment mal … Du wirst doch nicht …« Das Klappen der Wagentür schnitt Noreen das Wort ab. »Joey, bitte sag mir, daß du nicht im Wagen des Secret Service bist.«
»Wie du meinst, dann bin ich eben nicht im Wagen des Secret Service.« Joey schaute auf ihre Uhr. Viel Zeit blieb ihr nicht. Es hatte vielleicht so ausgesehen, als wollten sie Maggie wieder zu ihrer Wohnung zurückbegleiten, aber wahrscheinlich wollte Gallo sich einfach nur noch mal in der Wohnung umsehen. Joey warf einen Blick über die Schulter. Sie hatte höchstens zwei Minuten.
»Joey, dafür können sie dich erschießen …«
Joey griff nach der Innenraumbeleuchtung neben dem Glasdach, drückte die Plastikverkleidung aus ihrer Halterung und löste rasch die beiden Schrauben, welche die Lampe hielten. »Sie haben selbst damit angefangen, Noreen.«
»Sie haben damit angefangen? Du verwanzt den Secret Service! Dieser Wagen ist Regierungseigentum!«
»Und auch der einzige Ort, an dem diese arroganten Mistkerle niemals nachschauen würden«, meinte Joey. »Zum Teufel, sie sind so selbstgefällig, daß sie nicht mal die Türen abschließen.« Sie klemmte ein kleines Mikrofon an den roten Draht, der auf die Lampe zuführte. Diesen Trick hatte sie schon vor Jahren gelernt. Die Innenraumbeleuchtung war einer der wenigen Verbraucher, die immer Strom bekamen, selbst wenn der Motor ausgeschaltet war. Wenn man hier eine Wanze anbrachte, konnte man jemanden monatelang überwachen. Alles, was man dafür brauchte, war ein wenig Risikobereitschaft.
»Bitte, Joey, sie können jeden Augenblick zurückkommen …«
»Bin fast fertig …« Joey drückte die Abdeckung wieder in die Halterung, duckte sich hinter den Rücksitz und griff unter den Fahrersitz. Das war ein anderer leicht zugänglicher Platz, der immer Strom bekam. Dank der Zusatzausrüstung für Einsatzfahrzeuge der Behörden steckten auch die Sitze in Gallos Wagen voller Elektrik.
Sie tastete die Drähte ab, die vom Boden hochführten, nahm einen roten Draht ab und steckte ihn in die schwarze Dose, die aussah wie ein altes Handy ohne Tasten.
»Joey, sie werden keine Sekunde zögern, dich ins Gefängnis zu werfen …«
Joey hob den Kopf, als ein helles Licht sie traf. Es kam aus dem Gebäude. Es waren die Aufzugtüren. Sie öffneten sich. Da waren die beiden Agenten. Ihr blieben weniger als dreißig Sekunden. Joey versuchte, ihre Hände daran zu hindern zu zittern, und zog einen letzten
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