Die Bank
Gegenstand aus ihrer Tasche. Es war eine winzige Teleskopantenne mit einem kleinen Haken an einem Ende. Sie zog sie auf ihre volle Länge von einem Meter auseinander und befestigte sie an der Drahtantenne, die aus der schwarzen Dose herausbaumelte. Dann schob sie die Antenne hinten unter den Schonbezug des Sitzes.
»Joey, mach, daß du da rauskommst …«
Mit einem kurzen Ruck führte sie die Teleskopantenne an der Rückenlehne des Sitzes hoch. So war sie vollkommen unsichtbar. Trotzdem war sie perfekt so ausgerichtet, daß sie ihr Signal durch das Glasdach senden konnte. Es war ein improvisiertes, weltweit auf spürbares Positionssignal.
»Joey …!«
»Ruf ihn an!« flüsterte sie.
»Was?« fragte Noreen.
»Ruf ihn an!«
Joey stopfte die magnetische schwarze Box hastig unter den Sitz und befestigte sie an dem Gestänge. Das war’s. Es wurde allerhöchste Zeit zu verschwinden.
Sie sah aus dem Rückfenster, wie Gallo und DeSanctis bereits an dem Wohnblock entlanggingen. Sie waren nicht mal mehr zwanzig Meter weit weg. Es war zu spät …
Ein schrilles Klingeln gellte durch die Nacht, und Gallo blieb wie angewurzelt stehen. DeSanctis ebenfalls. »Gallo«, sagte er, nachdem er sein Handy aufgeklappt hatte. Die beiden Agenten drehten sich wieder zu dem Gebäude um. Mehr brauchte Joey nicht. In einer flüssigen Bewegung duckte sie sich aus der Hintertür und hastete über die Straße.
»Oh, entschuldigen Sie. Habe mich wohl verwählt«, sagte Noreen in Joeys Ohr.
Gallo klappte das Telefon wieder zu und ging weiter zu seinem Wagen. Als er die Tür öffnete, warf er einen Blick die Straße hoch. Joey hockte auf der Haube ihres Fahrzeugs.
»Glück gehabt da oben?« rief sie ihm zu.
Gallo ignorierte sie, ließ sich auf den Fahrersitz fallen und schlug die Tür zu. Das Innenraumlicht erlosch. Joey lehnte sich zurück und lächelte.
31. Kapitel
Nachdem ich die Maschine auf dem Miami International Airport verlassen habe, halte ich mich im Schutz der Menge und tauche in der Masse der gerade angekommenen Passagiere unter, die von ihren Liebsten beinah erdrückt werden. Es ist nicht schwer, den Unterschied zwischen Einheimischen und ihren Gästen zu erkennen. Touristen tragen langärmelige Hemden und Jacketts, Einheimische Shorts und T-Shirts. Als sich die Gruppe auf dem Weg zum Gepäckband auseinanderzieht, suche ich nach Charlie. Er ist nirgendwo zu sehen.
Die Läden und Zeitungsstände des Flughafens haben alle bereits geschlossen. Die Fensterfronten werden von Metallgittern geschützt, und die Lichter sind gelöscht. Es ist schon nach Mitternacht, und der ganze Ort ähnelt einer Geisterstadt für Reisende. Mein Blick fällt auf das Zeichen für die Waschräume für Männer. Da ich Charlies schwache Blase kenne, biege ich nach rechts ab und schlängle mich zu den Pissoirs durch. Der einzige Kunde ist ein übergewichtiger Mann. Ich durchsuche alle Toiletten. Sie sind leer.
Rasch laufe ich in den Terminal zurück, vorbei an dem Weihnachtsbaum, verdoppele meine Geschwindigkeit und renne zur Rolltreppe. Charlie weiß, daß er auf mich warten soll, wenn wir das Flugzeug verlassen. Wenn er es nicht getan hat … Ich reiße mich zusammen. Es gibt keinen Grund, das Schlimmste anzunehmen.
Ich springe von der Rolltreppe herunter und lande wieder in der Gepäckausgabe. Dort durchsuche ich jeden Winkel. Vorbei an den Mietwagenständen rund um das Förderband, aber immer noch kein Zeichen von Charlie. Rechts von mir hängt eine Reihe Fernsprecher. An einem lacht eine spanisch anmutende Frau in einen Hörer. Hinter den Telefonen befindet sich eine E-Mail-Tastatur und ein Faxgerät, an dem ein Mann mit einer dunklen Sonnenbrille …
Eine dunkle Sonnenbrille?
Ich gehe langsamer und bin versucht, auf dem Absatz umzudrehen. Wenn der Typ beim Secret Service sein sollte, werde ich mich nicht auf dem Silbertablett servieren. Aber gerade als ich ihm näher komme und abbiegen will, dreht er sich um, als wäre ich nicht da. Ich gehe an ihm vorbei, und er blickt nicht einmal auf. In dem Augenblick wird mir klar, daß dies hier Miami ist, wo Sonnenbrillen zur landesüblichen Tracht gehören. Solange niemand weiß, wer wir sind, gibt es auch keinen Grund …
»Entschuldigen Sie, Sir?« Die Stimme klingt kehlig, und jemand legt eine rauhe Hand auf meine Schulter.
Ich drehe mich hastig um und sehe mich einem Schwarzen in der Uniform des Flughafens gegenüber. Er starrt mir ins Gesicht und reicht mir einen zusammengefalteten Zettel.
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