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Die Bankerin

Die Bankerin

Titel: Die Bankerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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mit Esther beschäftigen, du weißt, was ich meine. Und abends wärst du ab und zu für mich frei.«
    »Wofür?«
    »Wofür schon? Wir haben es lange nicht mehr gemacht. Ich vermisse es.«
    »Und Esther?«
    »Was ist mit ihr? Willst du etwa auch mit ihr schlafen?«
    »Blödsinn! Sie wird es merken …«
    »Sie weiß es, ich habe es ihr erzählt.«
    »Was?« entfuhr es David entsetzt, und er stieß sie weg. »Du hast ihr gesagt, daß ich ein bezahlter Liebhaber bin?«
    »Reg dich ab, David von Marquardt! Ich habe ihr gesagt, daß du mein Freund bist, und sie ist weiß Gott alt und schlau genug, um zu wissen, daß Freunde wie wir sich nicht nur unterhalten. Ich möchte wetten, sie hat selber schon ihre Erfahrungen gemacht. Sie hat ihre Tage gekriegt, da war sie kaum elf. Bei ihr ist alles etwas früher.«
    »Hat sie einen Freund?« fragte David.
    »Keine Ahnung, interessiert mich auch nicht. Wahrscheinlich hat sie schon viele gehabt. Weißt du, als ich geschieden wurde, war Esther acht; und ich habe ihr freigestellt, zu wem sie gehen möchte, und sie hat sich für ihren Vater entschieden.Im Prinzip war mir das recht so, ich hätte ehrlich gesagt nicht viel mit ihr anfangen können. Außerdem hat ihr Vater mehr Geld, als er jemals wird ausgeben können. Aber sie ist verdorben, ihre Seele ist ein einziger großer Trümmerhaufen. Nun, auch das kümmert mich wenig. Wie ich schon einmal sagte, ich hasse Kinder. Sie sind nur Ballast.«
    »Haben deine Eltern dich auch gehaßt?«
    »Willst du jetzt den Psychologen spielen?« fragte sie sarkastisch.
    »Nein, es interessiert mich nur.«
    Ihr Blick ging an David vorbei ins Leere. Sie setzte sich aufrecht hin, das rechte Bein angewinkelt und den Fuß unter den linken Oberschenkel geschoben. Ihre Lippen wurden ein schmaler, gerader Strich, ihre Nasenflügel bebten. »Meine Mutter vielleicht, ja, vielleicht hat sie mich gehaßt. Mein Vater aber hat mich geliebt, er hat mich vergöttert. Aber das war vor Urzeiten. Ich kenne meine Mutter nicht, ich habe nur von ihr gehört. Es kann tatsächlich sein, daß ich deshalb nicht viel für Esther empfinde.«
    Mit einemmal sah sie David erschrocken und direkt an, die Stirn in Falten gezogen, ungläubig.
    »Vergiß, was ich gesagt habe. Es ist nicht wahr. Meine Mutter hat mich bestimmt geliebt. So«, sagte sie und stand auf und strich ihren Hausmantel gerade, »wenn ihr noch etwas vorhabt, dann macht euch auf den Weg. Ich bin müde, mein Tag war kräftezehrend. Falls wir uns nicht mehr sehen, gute Nacht.«
    Ihre Stimme war hart geworden. Sie drehte sich abrupt um und klopfte kräftig an Esthers Tür und trat ins Zimmer, ohne ein Herein abzuwarten. Esther lag auf dem Bett und blätterte in einem Magazin; sie blickte gelangweilt hoch.
    »David wartet auf dich!« sagte Nicole im Befehlston. »Ihr wolltet doch spazierengehen.«
    »Ja, ja, ich komme schon. Ist es nicht ein bißchen spät dafür?«
    »Macht, was ihr wollt, aber laßt mich zufrieden!«
    Esther sprang vom Bett auf, besah sich kurz im Spiegel, löschte das Licht und ging auf David zu. Sie neigte den Kopf nach links und sagte: »Also, gehen wir. Ich habe Lust auf ein schönes großes Eis mit viel, viel Sahne!«
     
    Sie nahmen die Treppe statt des Aufzugs und liefen durch die beinahe menschenleeren Gassen auf den Park zu. Jetzt um halb zehn hatte sich der graue Schleier der Dämmerung über die Stadt gelegt, und ein Grauton nach dem andern wurde dem hinzugefügt, und vereinzelt sausten noch ein paar Schwalben in wilden Tiefflugmanövern auf der Jagd nach Mücken durch die schwülwarme Luft, vom östlichen Horizont schob sich eine finstere Wand allmählich auf die Stadt zu. Eine Weile schlenderten David und Esther schweigend nebeneinander her, einige Male berührten sich wie zufällig ihre Arme, und in Davids Kopf spannen phantastische Phantasien wilde Netze, während Esther ihren Kaugummi zwischen den Zähnen knetete und einen unbeschwerten Eindruck machte. Sie konnte ja nicht ahnen, was in David vorging.
    Nach etwa fünfhundert Metern kamen sie an eine vielbefahrene Hauptstraße, die Stühle vor der Eisdiele waren vollbesetzt, selbst im Innern fand sich kein Platz mehr.
    Sie standen vor dem Verkaufsschalter an, David kaufte einen Becher mit sieben Kugeln und einer doppelten Portion Sahne für Esther, für sich selber eine Tüte mit drei Kugeln. Sie setzten ihren Weg fort, und ein paarmal drehte David sich um, er hatte ein ungutes Gefühl, wähnte sich beobachtet, vielleicht sogar

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