Die Bankerin
anfangen, um so eher können wir gehen.«
Nach einer halben Stunde befand sich der größte Teil der Wohnung in einem vorzeigbaren Zustand. Durch die Balkontür wehte die noch immer heiße Abendluft, der Wetterbericht hatte Tiefsttemperaturen von knapp zwanzig Grad angekündigt, aber auch die Aussicht auf Hitzegewitter.
»Und jetzt?« fragte Esther und holte sich eine Cola aus dem Kühlschrank. Sie gab in ein Glas drei Viertel Cola und ein Viertel Whisky und schüttete es in einem Zug hinunter. Wäre Nathalie siebzehn, David wäre fuchsteufelswild geworden. Aber Esther war anders, sie war kein Kind mehr, nur ein wenig, gerade so viel, daß David sich nur noch wohl fühlte, wenn er in ihrer Nähe sein konnte. Jede ihrer Bewegungen prägte er sich mit akribischer Genauigkeit ein.
»Eigentlich wollte ich mit dir in den Zoo, besser gesagt ins Exotarium gehen, aber ich fürchte, dafür langt die Zeit nicht mehr. Sie machen schon um zehn zu. Wollen wir eine Runde durch den Park drehen und uns unterhalten? Oder mach du einen Vorschlag.«
Nicole kam aus dem Schlafzimmer, sie hatte sich zurechtgemacht, etwas Rouge auf die Wangen gelegt, Lippenstift aufgetragen, die Fingernägel lackiert.
»David, du bist der perfekte Hausmann«, sagte sie mit beißendem Spott. »Warum geht eigentlich deine liebe Frau nicht arbeiten, und du erledigst die Hausarbeit? Vielleicht könnte sie deine Familie eher ernähren!«
»Könnten wir bitte das Thema lassen?« fuhr er sie an.
»Was habt ihr vor?« fragte sie, die Arme über der Brust verschränkt.
»Wir wissen es nicht. Vielleicht spazierengehen.«
»Um meine liebe Mami nicht zu nerven!«
»Warum bleibt ihr nicht? Wir könnten etwas spielen.«
»Und was?« fragte Esther lustlos.
»Schau im Schrank nach und such ein Spiel heraus, das dir gefällt.«
»Keine Lust. Vielleicht ein andermal«, sagte Esther.
»Das ist meine Tochter! Kein Familiensinn, die Kleine. Wie geht es bei dir? Was machen die Anrufe?«
»Johanna und die Mädchen fahren am Wochenende für ein paar Wochen an die Ostsee zu meiner Schwiegermutter. Der Kerl ruft jetzt fast jeden Tag an. Er muß ein perversesSchwein sein. Ich verstehe das nicht. Wir haben keiner Menschenseele auch nur das geringste Leid angetan. Ich habe nicht betrogen …«
»Na ja«, unterbrach ihn Nicole mit süffisantem Lächeln, »wie man’s nimmt.«
»Ha, ha! Es gibt jedenfalls keinen Grund, uns so zu terrorisieren.«
»Hey, Moment mal, das ist ja richtig spannend«, sagte Esther, beugte sich nach vorn und blickte David neugierig an.
»Was ist los? Anrufe, terrorisieren?«
»Eine lange Geschichte …«
»Ich liebe lange Geschichten!«
»Das geht dich nichts an!« sagte Nicole und drückte ihre Zigarette aus.
»David, bitte!« flehte Esther mit großen Augen.
Nachdem David auch Esther die Geschichte erzählt hatte, trat für Augenblicke Stille ein. Dann fragte Esther aufgeregt: »Und du hast keine Ahnung, wer dahintersteckt?«
»Nein, absolut nicht.«
»Und die Polizei? Was sagen die dazu?«
»Die Polizei! Sie haben nichts, aber auch gar nichts in der Hand. Es gibt sogar einige, die halten uns für Mitwisser, die denken doch allen Ernstes, wir würden von den angeblich dunklen Geschäften von Thomas wissen und ihn decken!«
»Aber die müssen doch etwas unternehmen!« entrüstete sich Esther. Sie streckte ihre Gestalt, und ihre Brüste stachen wie Helmspitzen hervor.
»Tun sie nicht.«
»Ich würde Himmel und Hölle in Bewegung setzen!«
»Es ist Davids Angelegenheit«, mischte sich Nicole ein. »Er wird ganz gut wissen, was er tut, nicht wahr, David? Kann ich dich bitte für einen Moment unter vier Augen sprechen?«
»Schon gut, schon gut, ich verschwinde in meinem Zimmer. Ihr könnt mich ja holen, wenn ihr fertig seid.« Esther erhobsich und ging. Als sie außer Hörweite war, sagte Nicole: »Es tut mir leid wegen deiner Familie. Wenn ich irgendwie helfen kann, sag’s. Aber wenn du keine häuslichen Verpflichtungen in der nächsten Zeit hast, könntest du da nicht öfter herkommen? Natürlich mußt du dich nicht die ganze Zeit um Esther kümmern, ich hätte auch ganz gerne mal wieder was von dir.« Sie streichelte über sein Gesicht, seine Lippen, seinen Hals, und mit einem festen, doch nicht unangenehmen Griff faßte sie zwischen seine Beine.
»Ich werde sehen, was sich machen läßt. Sicher, warum nicht?«
»Du könntest zum Beispiel ein paar Tage Urlaub nehmen, ich meine natürlich von der P RO C OM , und dich tagsüber
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