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Die Bankerin

Die Bankerin

Titel: Die Bankerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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verfolgt, doch immer, wenn er hinter sich blickte, erblickte er niemand Verdächtiges.
    »Hast du Angst?« fragte Esther, als spürte sie seine Unruhe.
    »Ich meine, wenn ich solche Anrufe bekäme … ich glaube, mir würde das Herz stehenbleiben.«
    »Seltsamerweise gewöhnt man sich an alles, selbst an so was.Und bis jetzt ist ja auch nichts weiter passiert, außer das mit Thomas. Ich nehme an, der Verrückte wird sein Vorhaben bald aufgeben. Reden wir nicht weiter darüber.«
    Sie gelangten an den Park, der vollgestopft war mit Spaziergängern und vielen jungen Leuten, die noch auf den Wiesen lagen und Bier tranken, Musik hörten oder mit Frisbeescheiben spielten, obwohl in der Dämmerung kaum noch etwas zu erkennen war. Unter den dichtbewachsenen Bäumen war es angenehm kühl. Die Dämmerung ging in die Nacht über, das Grau wurde zu Schwarz, und weit hinten, am Ende der Welt, flackerte unaufhörliches Wetterleuchten.
    »Es wird ein Gewitter geben«, sagte David. »Und es kommt von Osten. Es heißt, Gewitter, die von Osten kommen, sollen besonders heftig sein.«
    »Ich habe keine Angst vor Gewittern. Im Gegenteil«, sagte sie und kickte mit ihrem rechten weißen Leinenturnschuh einen vor ihr liegenden kleinen Stein gegen einen Baum. »Am Bodensee, dort wo mein Internat ist, habe ich oft gesehen, wenn Blitze in den See eingeschlagen sind. Ich finde es herrlich anzuschauen.«
    »Wie ist es in einem Internat?« wollte David wissen.
    »Man gewöhnt sich dran. Ich habe eine Klasse übersprungen, weil ich besonders gut bin. Einige halten mich sogar für besonders intelligent. Mag sogar stimmen, ich habe einen IQ von hundertfünfundvierzig, was ziemlich hoch ist. Und trotzdem mag ich die Schule nicht, sie ödet mich an.«
    »Mich hat sie auch angeödet. Erzähl mir von deinem Vater.«
    »Er ist
der
Vabochon! Opernsänger, Troubadour, neben Pavarotti, Carreras und Placido Domingo die vierte Größe in diesem Geschäft.«
    »
Der
Vabochon?! Du hast einen berühmten Vater.«
    »Ich hab nicht viel von ihm, er ist ja nie da. Und wenn er verspricht dazusein, ist es trotzdem eher wahrscheinlich, daß er es nicht ist. Aber du müßtest ihn kennenlernen. Wir kommen gut miteinander aus. Ganz im Gegensatz zu diesemWeib, das sich meine Mutter nennt! Die Frau kotzt mich total an. Aber ich werd die Ferien überstehen.«
    Sie setzten sich auf eine freie Parkbank, zwischen ihnen waren etwa zwanzig Zentimeter Raum. Radfahrer huschten wie Schemen vorbei, Hunde wurden durch die Nacht spazierengeführt und setzten ihre Duftmarken an Bäume und Laternenpfähle, Verliebte tauschten Küsse und im Schutz der Dunkelheit vielleicht sogar mehr aus. Aus dem Wetterleuchten wurden Blitze, und aus fernem, dumpfem Grollen die schwüle Luft durchschneidende, krachende Donner. Der nur noch im Westen verschwommen wahrnehmbare Sternenhimmel wurde von der Wolkendecke zugedeckt.
    »Komm, laß uns gehen, bevor wir naß werden.« Sie eilten auf den Ausgang des Parks zu, die Menschen verkrochen sich in ihren Häusern, die Stühle vor der Eisdiele wurden eilig aufeinandergestapelt und nach drinnen gebracht, und mit einemmal brach das Unwetter los, fuhr eine gewaltige Windbö durch die Häuserschluchten, bogen sich die Bäume gefährlich weit zur Seite, und dann kam der Regen; ein vernichtender Wolkenbruch prasselte auf die ausgetrocknete Erde und den warmen Asphalt. David nahm Esther bei der Hand, und sie rannten, bis David stehenblieb und nach Luft japste.
    »Kannst du nicht mehr?« fragte Esther sichtlich belustigt, das nasse Haar klebte an ihrem Kopf, im Licht der Straßenlaternen zeichneten sich die Brustwarzen zart und sanft unter dem weißen Shirt ab, und irgendwie mußte David an den Film
Ein Amerikaner in Paris
denken; auch er wäre jetzt am liebsten durch die überschwemmten Straßen getanzt. Esther nahm ihn bei der Hand und zog ihn mit sich, und als sie zu Hause anlangten, blieben sie im Foyer des Hauses stehen und rangen um Luft.
    »Mir ist auf einmal kalt«, sagte Esther, und wie instinktiv zog David sie an sich, legte seine Arme um sie, um sie zu wärmen, streichelte ihren Rücken. Sie ließ es mit sich geschehen,es schien ihr sogar zu gefallen. Sie legte ihren Kopf an seine Schulter, und er sog den Duft ihres nassen Haares ein, doch plötzlich löste sie sich von ihm und sah ihn fragend aus ihren großen, tiefen Augen an und schürzte die Lippen.
    »Warum hast du das getan?« fragte sie verstört.
    »Ich, nun, äh, du sagtest, dir wäre kalt, und

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