Die Barbaren
getan!«
»Sie hatten Olinga.«
»Waaas?«
»Als dein Sohn gekommen war und Kelka ihn in den Armen hielt, und Olinga ihn mit stolzem Lächeln ansah, da waren die Schatten so dicht um das Kind, als wäre die Finsternis selbst in diese Höhle gekommen, und die Omen so düster wie nie zuvor. Es schien, als wären in den Wildländern in dieser Nacht die Geister aller Zeiten lebendig, bereit, sie von den Lebenden zu erobern…« Er hielt heftig atmend inne.
Nottr schauderte unwillkürlich.
»So hatte Chipura mit ihrer Prophezeiung recht«, flüsterte er.
»Ihre Gabe, zu sehen, ist bemerkenswert«, stimmte Skoppr zu. »Dieses Neugeborene mit einem so schwachen Geist, von dem so viele Dämonen Besitz ergreifen mochten in dieser Stunde des Wolfes. Ich war voll Furcht. Du warst nicht hier, eine Entscheidung zu fällen. Ich mußte es tun. Und rasch. Und so entschied ich, daß es leben sollte…«
Nottr schnappte nach Luft. » Du hast entschieden, daß es leben soll…!«
Skoppr hob abwehrend die Arme.
»Versteh doch!« Er sah ihn beschwörend an. »Sahst du Vrayas Kind nicht im Stamm der Wolgen? Und Silras Sohn im Jahr davor? Hättest du ein besessenes Kind gewollt? Eines ohne menschlichen Verstand? Ein Spielzeug der Geister? Hättest du das gewollt?«
»Nein«, sagte Nottr gequält.
Der Schamane nickte. »Selbst wenn du es gewollt hättest, wäre es das Ende aller deiner Träume von der Großen Horde gewesen, nicht wahr? Denn alle hätten dies als ein deutliches Zeichen gesehen, daß die Götter gegen dich wären. Das verstehst du, nicht wahr?«
Nottr gab keine Antwort.
»Aber es wäre auch ein schlechtes Zeichen gewesen, wenn dein Sohn totgeboren wäre…«
»Was hast du getan?«
»Ich sah deine Chipaw an…«
»Nimm diesen Namen nie wieder in den Mund«, herrschte ihn Nottr an.
»Verzeih.« Skoppr unterdrückte das Verlangen, zurückzuweichen. »Ich sah die Mutter an und wußte, daß sie tun würde, was zu tun war… daß sie es liebte und wollte, daß es lebte. Es blieb keine Zeit, zu erklären. Auch die Geister hätten meine Worte gehört. So gab ich Olinga ein wenig meines Pilzes, mit dem ich der Wirklichkeit entfliehe, um mit den Geistern zu verkehren. Ihr Körper war schwach von den Anstrengungen der Geburt, so sank sie von einem Augenblick zum anderen in jenen Zustand, den die Geister bevorzugen, wenn sie sich uns nähern. Sie war nun so… hilflos wie das Kind… hilfloser noch, denn sie besaß nicht den Lebenswillen des Neugeborenen und sie besaß nicht meine Erfahrung, um zu widerstehen…«
»Imrirr!« knirschte Nottr mühsam beherrscht. »Du bist ein Teufel…!«
Der Schamane wich nun wirklich zurück vor dem peinvollen Grimm des Hordenführers.
»Ich habe deinen Sohn gerettet!« rief er hastig.
»Um welchen Preis…«
»Nur den Preis, den auch sie selbst bezahlt hätte… Ich weiß es. Hör mich erst zu Ende an. Dann magst du richten…«
Nottr nickte.
»Ich gab Kelka und Grana das Kind – in Obhut und hieß die Krieger, sofort aufzubrechen und ins Hauptlager zurückzukehren, was sie auch taten angesichts der großen Gefahr für deinen Sohn, von der ich ihnen berichtete, wenn ich ihnen auch nicht die Wahrheit sagte. Nur ich und Olinga blieben zurück. Sie, um die Dämonen auf sich zu lenken. Und ich, um darüber zu wachen. Wir saßen nicht lange. Da kamen die Wölfe. Ich sah noch nie zuvor so viele auf einmal versammelt. Sie quollen herein, soviele Platz hatten, und sie starrten uns an… nicht wie Jäger ihre Beute… mehr wie… nein, ich kann es nicht beschreiben.« Er schüttelte den Kopf. »Sie taten uns nichts. Wir wären die leichteste Beute gewesen, die sie finden konnten. Aber sie taten nichts. Sie saßen nur keuchend mit ihren heißen Rachen. Und nach einer Weile gingen sie wieder. Einer nach dem anderen drehten sie sich um und verschwanden aus der Höhle. Und nach einem Augenblick, als ich dachte, nun wäre alles vorbei, da erhob sich Olinga. Sie hörte nicht auf mein Rufen. Sie schüttelte meine Hände ab. Ich sah, daß sie nicht aufgewacht war aus ihrer Entrückung. Etwas rief sie… und sie folgte…« Seine Stimme zitterte bei dieser Erinnerung.
Nottr sah ihn nur in stummem Grimm an.
»Sie ging hinaus. Da wollte ich sie mit Gewalt zurückhalten, weil ich wußte, daß sie nicht die Kraft hatte, weit zu gehen. Doch da kamen mir ein Dutzend Wölfe entgegen, die vor dem Höhleneingang gewartet hatten, und ließen mich nicht hinaus. Ich… ich mußte zusehen, wie Olinga in
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