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Die Bedrohung

Die Bedrohung

Titel: Die Bedrohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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Situation vorzugehen hatte. Sicherheitsleute wurden aus dem Bett gescheucht, Wagenkolonnen setzten sich früher als sonst in Bewegung, und die wichtigsten Berater des Präsidenten im Bereich der nationalen Sicherheit wurden benachrichtigt, damit sie sich unverzüglich in ihre Büros begaben. Verteidigungsminister England war das erste Regierungsmitglied, das die schlechte Nachricht erhielt.
    Als ehemaliger Manager bei Merrill Lynch und Leiter der Londoner Filiale der Investmentbank stand England jeden Morgen um fünf Uhr auf, damit er noch etwas Zeit hatte, die europäischen Märkte zu beobachten, bevor er ins Pentagon fuhr. Er saß an seinem Schreibtisch im Arbeitszimmer, als der Anruf kam. Allein das Läuten des Telefons, zwei kurze Klingeltöne gefolgt von einem dritten, längeren, unterschied sich markant von all den anderen Telefonen, die England in seinem Job benutzte. Ihm war sofort klar, dass das Läuten zu dieser frühen Stunde keine guten Neuigkeiten ankündigte. Als er auf das abhörsichere Telefon hinuntersah, ging er in Gedanken die bekannten Krisenherde durch, mit denen der Anruf möglicherweise zu tun hatte. Fast sofort musste er an Irene Kennedy und ihr Treffen denken. Er nahm den Hörer ab, lauschte der Stimme am anderen Ende und sagte nur: »Ich bin in einer halben Stunde da.«
    England rief in seinem Büro an und wies die Offizierin vom Dienst an, die Vereinigten Stabschefs zusammenzutrommeln. Außerdem sagte er der Frau am anderen Ende, dass er in zwanzig Minuten mit jemandem in Mosul sprechen wolle, der ihm genau schildern konnte, was passiert war. Irene Kennedy war zwar von der CIA, doch für Mosul war das Verteidigungsministerium zuständig. Er wusste zwar von Kennedys Treffen mit ihrem iranischen Amtskollegen, doch über die näheren Umstände war ihm nichts bekannt, wenn man einmal von der beunruhigenden Tatsache absah, dass die Iraner darauf bestanden hatten, dass kein amerikanisches Militärpersonal in der Nähe sein durfte.
    England lief die Treppe hinauf, duschte, zog einen Anzug an und schnappte sich den elektrischen Rasierer. Als er wieder hinunter ins Erdgeschoss kam, wartete bereits sein komplettes Sicherheitsteam draußen vor der Haustür. England sprang auf den Rücksitz des gepanzerten schwarzen Suburban und begann mit dem Rasierer seine größtenteils grauen Bartstoppeln zu bearbeiten. Seine Gedanken kehrten sofort wieder zu Irene Kennedy zurück. Alles, was ihm der Mann vom Situation Room mitgeteilt hatte, war, dass Kennedys Wagenkolonne in Mosul angegriffen worden war. Man ging davon aus, dass die Direktorin der CIA überlebt habe, aber entführt worden sei. Alle anderen seien ums Leben gekommen.
    England mochte Kennedy. Ihm gefiel ihr Stil, ihre Art, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Washington war eine Stadt, in der es nach Englands Auffassung allzu viele Leute gab, die sich selbst gern reden hörten. Kennedy war eine erfrischende Ausnahme; sie war hochintelligent, und England kannte niemanden, der besser über den Islam und den Nahen Osten Bescheid wusste. Er hatte es sich angewöhnt, sich auf ihre Informationen und Einschätzungen zu verlassen.
    England kannte den Präsidenten schon länger. Er war nie zuvor im Staatsdienst tätig gewesen, weder bei den Streitkräften noch sonst wo. Als ihm der Präsident das Amt des Verteidigungsministers anbot, sagte er ihm, dass er ihn wegen seines analytischen Verstands im Team haben wolle, aber auch wegen seiner Fähigkeit, eine Debatte nicht nur zu gewinnen, sondern andere dazu zu bringen, sich seiner Sichtweise anzuschließen. Er hatte sich viele Jahre damit beschäftigt, Trends vorherzusehen und in die Zukunft zu schauen. Während sein Wagen durch die frühmorgendlichen Straßen von Washington rollte, versuchte er die aktuelle Krise auf diese Weise zu analysieren. Doch er musste sofort an die Bilder von moslemischen Extremisten denken, die ihre Gefangenen enthaupteten. Gewiss würden es diese Leute als großen Erfolg in ihrem Kampf darstellen, wenn sie auch die Direktorin der Central Intelligence Agency auf diese Weise hinrichteten.
    England schob seine persönlichen Gefühle beiseite und spielte in Gedanken verschiedene Möglichkeiten durch. So brutal es klingen mochte – aber die rasche Enthauptung der CIA-Direktorin wäre für Amerika nicht das Schlimmste gewesen. Der Triumph der radikalen Fundamentalisten würde sich wahrscheinlich als sehr kurzlebig erweisen. Europa, Australien, Japan, Russland und vielleicht sogar China

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