Die Bedrohung
nachzudenken. Dann ging er ohne ein weiteres Wort hinaus.
Rapp trat in den Empfangsbereich ein, wo Stilwell und Ridley hinter einem Schreibtisch standen und auf einen großen Flatscreen-Monitor blickten. Rapp hielt ein Foto des Mannes hoch, den er gerade halb kastriert hatte, und sagte: »Dieser Kerl ist nie und nimmer ein Cop.«
Ridley zeigte auf den Bildschirm. »Ich habe mit Chuck O'Brien telefoniert«, berichtete er, »und ich glaube, er hat recht.« Ridley zeigte auf den Bildschirm. »Du hast dich nicht mehr unter Kontrolle.«
»Wovon redest du, verdammt?«
»Ich rede davon«, antwortete Ridley und zeigte auf den Bildschirm, »dass du dem Typen ein Ei abgeschnitten hast. Glaubst du, wir haben nur eine Workstation, um die Gefangenen im Auge zu behalten?«
»Oh … jetzt sag du nicht auch noch, dass du kein Blut sehen kannst.«
»Darum geht es nicht, obwohl ich bei deinen Methoden meine Zweifel habe. Es geht darum, dass das hier ein US-Militärstützpunkt ist. Das ist nicht irgendein dunkles Verlies in Afghanistan. Die Army führt über alles Buch, sie schreiben auf, wer hier ein und aus geht, und unter diesen GIs wird mehr getratscht als bei irgendeiner Studentinnenvereinigung. Und dann sind da noch die Medien, und ich will gar nicht wissen, was los ist, wenn dieser Typ eines Tages mit einem Anwalt daherkommt.«
»Dieser Typ wird nie mit einem Anwalt daherkommen«, erwiderte Rapp entschieden.
»Das kannst du nicht wissen.«
»O doch, das weiß ich, weil ich ihm nämlich zuerst den Schwanz abschneiden werde und ihn dann in eine der anderen Zellen schleppe und ihm vor den beiden anderen das Hirn rauspuste.«
»Mitch«, schrie Ridley, »das kannst du nicht machen! Wir haben ein Verhörteam aus Bagdad angefordert. Diese Jungs sind die Besten auf ihrem Gebiet. Sie werden auch noch das letzte Quäntchen Information aus ihnen herausbekommen.«
Rapp verschränkte die Arme vor der Brust. »Toll, dann genehmigen wir uns ein gutes Mittagessen und eine Tasse Kaffee und plaudern ein bisschen, während sich die Profis an die Arbeit machen. Das ist wirklich ein wunderbarer Plan. In einer Woche oder einem Monat, wenn sie den Typen endlich alle Informationen herausgelockt haben, können wir ja versuchen, Irene zu befreien. Ich bin sicher, sie werden sie inzwischen wie eine Königin behandeln.«
»Sie werden keinen Monat brauchen.«
»Ich werde höchstens eine Stunde brauchen.«
»Mitch«, seufzte Ridley, »mir persönlich ist es egal, was du tust, solange an den Kerlen keine Spuren zurückbleiben.«
»Und mir persönlich ist es egal, was du denkst, Rob. Wir sind hier nicht in Washington. Wir sind in einem verdammten Kriegsgebiet, wo unser Boss entführt wurde – die Direktorin der CIA, die über jeden verdammten Spion Bescheid weiß, den wir in jedem verdammten Land stationiert haben. Du glaubst vielleicht, sie werden Spezialisten aus Damaskus kommen lassen, die bei ihrem Verhör keine Spuren hinterlassen.« Rapps Gesicht rötete sich vor Zorn. »Sie werden sie foltern«, schrie er, »und ich werde hier nicht herumsitzen und mit dir diskutieren, was ich machen kann und was nicht.«
Rapp nahm die sechs Polaroidfotos und warf sie auf Stilwells Schreibtisch. »Kannst du die ins System einscannen und nachsehen, ob du eine Übereinstimmung findest? Wo ist Marcus?«
»Weiß ich nicht.«
»Such ihn.«
Stilwell nahm die Fotos, als das Telefon klingelte. Er hob mit der anderen Hand ab und meldete sich. »Chief of Base, Mosul.« Er hörte einige Sekunden zu und sah dann Rapp an. »Ja, einen Moment.« Er hielt Rapp den Hörer hin. »Es ist das Weiße Haus … der Präsident will dich sprechen.«
Rapp erwog kurz, den Anruf nicht entgegenzunehmen. Er hatte es in seiner Laufbahn meistens so gehalten, dass er lieber hinterher um Verzeihung bat statt vorher um Erlaubnis. Aber das hier war der Präsident, nicht irgendein Kollege in Langley. Rapp dachte an das Gespräch, das er in Air Force One mit ihm geführt hatte. Er hatte eigentlich nicht das Gefühl, dass Alexander dazu tendierte, ihn an der kurzen Leine zu halten. Trotzdem nahm Rapp das Telefon nur widerstrebend in die Hand.
45 WASHINGTON D.C.
Die Meldung kam, als der Großteil von Washington schlief. Der Offizier vom Dienst im Situation Room des Weißen Hauses erhielt den Anruf aus dem Global Operations Center der CIA um fünf Uhr früh. Binnen weniger Minuten liefen die Telefone in der Hauptstadt und darüber hinaus heiß. Es gab Pläne, wie man in einer solchen
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