Die Befreier von Canea
Stahlmänner, das mit Eis bedeckt war und mit …
Schnee.
Isana riss sich den Handschuh von den Fingern, steckte die Hand in den Schnee und rief Bächlein. Schließlich handelte es sich bei Schnee auch nur um Wasser. Wie sie während des verzweifelten Kampfs im vergangenen Jahr auf hoher See gelernt hatte, konnte sie viel mehr bewerkstelligen, als sie je für möglich gehalten hätte. Auf ihrem Wehrhof hatte nie die Notwendigkeit bestanden, ihre Fähigkeiten bis an die Grenzen auszuprobieren, es sei denn beim Heilen, und dabei war sie nie gescheitert. Als sie eine Flutwelle im Tal von Calderon gebraucht hatte, um Tavi das Leben zu retten, hatte sie eine zustande gebracht, obwohl sie damals geglaubt hatte, es habe vor allem an der Vertrautheit mit den dortigen Elementaren gelegen.
Auf dem Ozean jedoch hatte sie etwas anderes erfahren. Ihre bisherigen Grenzen waren ihr nicht von Alera gesetzt worden. Das waren bloß ihre eigenen Vermutungen gewesen. Jeder wusste, Wehrhöfer verfügten über keine wahre Macht, selbst nicht an so wilden Orten wie Calderon, und sie hatte sich durch diese unbewusste Annahme in ihrer Wahrnehmung beeinflussen lassen. Doch dort, in der unendlichen Weite des Meeres, hatte sie herausgefunden, dass sie zu weit mehr fähig war als bislang angenommen.
Schnee war Wasser. Warum sollte sie nicht darüber verfügen wie über anderes Wasser?
Bei den großen Elementaren, sie war die Erste Fürstin von Alera, und sie würde den Mord an den Häuptlingen nicht zulassen.
Isana stieß einen Schrei aus, und das riesige Schneefeld um die Eismenschen wallte auf wie ein lebendiges Meer und unterwarf sich ihrer Entschlossenheit und ihrem Willen. Sie hob den Arm und spürte eine heftige Spannung um ihre Schultern. Schnee stob auf und bildete einen riesigen Hügel hinter den Eismenschen. Der Blitz traf in dieses Meer aus Schnee und erzeugte gewaltige Dampfschwaden, die ihm jedoch die Kraft raubten, ehe er Unheil anrichten konnte.
Isana spürte, wie sich der Himmel über ihnen plötzlich veränderte. Blitze zuckten von überall heran und jagten vom Horizont zur Mitte des wirbelnden Strudels über ihr. Die Farbe verwandelte sich von Blauweiß in Gold und Grün. Die brennende Achse wurde dicker und heißer, und Isana spürte eine Macht dahinter, als hätte ein starker Wille seine Kräfte hinzugefügt.
»Antillus«, hörte sie sich keuchen.
Das Gewicht, das auf ihr lag, drückte ihr auf die Brust und warf sie auf die Knie, aber dennoch ergab sie sich nicht. Sie schrie erneut, hob die Hand, Schnee und Dampf und Eis verformten sich zur Form ihrer Finger, und diese Riesenhand erhob sich, um die Eismenschen trotzig zu schützen. Die unendliche Kälte des Nordens krachte mit dem Feuer des Südhimmels zusammen. Dampf breitete sich aus und bedeckte das Land.
»Isana«, hörte sie Araris rufen. »Isana!«
Er packte sie an den Schultern und rüttelte sie, und sie blickte ihn benommen an. Sie wusste nicht, wie lange sie den Schutz gegen Antillus Raucus’ Blitz aufrecht erhalten hatte, aber sie konnte die Ritter Aeris nicht mehr sehen. Araris schien aus weiter Ferne zu ihr zu sprechen.
»Isana!«, rief er. »Es ist alles gut. Die Eismenschen sind fort, in Sicherheit!«
Sie senkte die Hand und hörte ein schnaufendes Grollen hinter sich. Als sie sich umwandte, sah sie feinen Pulverschnee, der in einer riesigen Wolke durch den Dampf wirbelte, wie Schnee, der sich nach einem Lawinenabgang erst langsam legen musste.
Doroga betrachtete den Dampf und den Schnee einen Moment lang nachdenklich. Dann blickte er Isana abschätzend an.
»Wenn ich jemals wieder Calderon überfallen sollte«, meinte er, »dann ganz bestimmt im Sommer.«
Isana starrte ihn erschöpft an. »In dem Fall werde ich dafür sorgen, dass du nie wieder diese süßen Küchlein bekommst, die du so liebst. Nie wieder.«
Doroga sah sie verletzt an, schnaubte und sagte zu Wanderer: »Dass Aleraner aber auch immer mit unfairen Mitteln kämpfen müssen.«
»Hilf mir auf«, sagte Isana zu Araris. »Er wird kommen.«
Araris bewegte sich sofort. »Wer?«
»Bleib einfach bei mir«, sagte sie und sah ihm in die Augen. »Und vertrau mir.«
Araris zog eine Augenbraue hoch und half ihr auf die Beine. Dann beugte er sich vor, anstatt ihr zu antworten, und küsste sie. Im nächsten Moment zog er sich zurück und sagte: »Aus tiefster Seele. Immer doch.«
Sie suchte seine Hand und drückte sie sehr fest.
Sekunden später toste Wind, und zwei Gestalten kamen
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