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Die Befreier von Canea

Die Befreier von Canea

Titel: Die Befreier von Canea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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verrutscht. Ein frischer blauer Fleck zierte ihre Wange. Zeugnis von Brencis’ Zuwendung, fragte sich Amara, oder ein Hinweis auf Rooks Entlarvung und erzwungenen Verrat?
    Sie sah die glitzernden Augen eines Vord-Ritters, der auf dem Dach hockte, von dem aus sie tagsüber den Hof beobachtet hatte. Zufall? Oder hatte Rook erzählen müssen, was sie über Amaras Anwesenheit und Vorhaben wusste?
    Sie verzog das Gesicht. Das half ihr alles nicht weiter. Sie musste weitermachen und das Beste hoffen.
    Verborgen hinter windgewirkten Schleiern, in ihrem elementargewirkten Mantel, und zusätzlich mit den Schatten der seltsam erleuchteten Nacht verschmolzen schlich Amara vorwärts.
    Einen mächtigen Elementarwirker wie Kalarus Brencis zu ermorden, war ein Vorhaben mit ungewissem Ausgang, besonders wenn man die Absicht hatte, es zu überleben. Aufgrund seiner Wasserkräfte konnte man ihn nur durch eine sehr schwere Wunde töten; wenn man nicht eine wichtige Hauptschlagader verletzte, würde er den Schaden rasch wieder selbst heilen können. Sie musste schnell sein. Seine Windkräfte würden es ihm erlauben, mit tödlicher Geschwindigkeit zu reagieren, und der Stärke, die ihm seine Erdkräfte verliehen, konnte Amara nichts Entsprechendes entgegensetzen. Schlimmer noch, wenn sie zustach, nicht traf und zu fliehen versuchte, würde er sie vermutlich töten, ehe sie ein paar Schritte weit gekommen war. Seine Feuerkräfte machten ihm das leicht.
    Am gefährlichsten waren jedoch seine Metallkräfte, die ihn vor jeder Waffe aus Stahl in seiner Nähe warnten. Natürlich würde er nur einen Augenblick der Vorwarnung bekommen, aber das wäre mehr als genug. Um Kalarus Brencis Minoris zu töten und es selbst zu überleben, musste Amara ihm die Kehle mit einem Dolch aus Stein aufschlitzen, wie sie ihn in der Hand hielt. Oder sie musste ihm die Klinge bis zum Heft in die Augen oder ein Ohr rammen. Es gab keinen Spielraum für Fehler.
    Brencis seinerseits konnte ihr das Genick mit einem einzigen Schlag brechen, sie mit einem Fingerschnippen zu Asche verbrennen oder ihr mit einem Hieb seines hervorragenden Schwertes den Kopf vom Rumpf trennen.
    Es sprach also alles eher zu seinen Gunsten.
    Allerdings hatte sie, als sie bei den Kursoren eingetreten war, auch nicht erwartet, oft auf ausgeglichene Verhältnisse zu treffen.
    Die Krähen sollen dich holen, Gaius. Obwohl ich deine Dienste verlassen habe, hast du mich wieder zurückgeholt.
    Sich leise und unsichtbar zu bewegen, war ihr zur zweiten Natur geworden. Langsam, ruhig und vorsichtig schlich sie an den Wachen vorbei. Mehrmals blieb sie stehen, um Aleraner mit Halsringen vorbeizulassen, ehe sie weiterging. Um im Verborgenen zu bleiben, kam es mehr auf Geduld und auf die Fähigkeit an, innerlich die Ruhe zu bewahren – auch wenn einem das eigentlich unmöglich erschien – als auf persönliche Beweglichkeit.
    Daher brauchte sie ungefähr zehn Minuten, um aus dem Schutz der Gasse an die Seite des Podestes gegenüber von Brencis’ Tisch zu gelangen. Weitere fünf dauerte es, bis sie um das Podest geschlichen war und bei den Stufen angehalten hatte, die hinaufführten. Sobald Brencis mit dem Essen fertig wäre, würde er wieder nach oben gehen und dem nächsten Opfer einen Ring umlegen, und dann konnte Amara ihm den Dolch ins Hirn treiben. Er würde zu Boden gehen. Sie würde sofort in die Luft aufsteigen und aus dem schwachen Schein der Elementarlampen verschwunden sein, ehe irgendwer etwas gegen sie unternehmen konnte. Einfacher ging es gar nicht.
    Bei solchen Vorhaben war Einfachheit eine tödliche Waffe.
    Es dauerte noch eine Weile, bis Brencis den Teller von sich schob, das Essen beendete und sich erhob.
    Amara packte den Griff ihres Steindolches fester, entspannte ihre Muskeln und bereitete sich auf den blitzschnellen Stich vor, der ihre einzige Gelegenheit darstellte.
    Brencis blickte Rook an, dann nach unten und sagte: »Ich verabscheue das.«
    »Vergiss nicht«, erwiderte Rook, »du hast, was sie wollen. Dich können sie nicht ersetzen. Sie haben die Kraft nicht. Du schon.«
    Amara erstarrte.
    Brencis berührte den Ring um seinen eigenen Hals. »Vielleicht«, sagte er.
    »Zeig keine Schwäche«, mahnte Rook. »Du weißt, was sonst geschieht.«
    Amara bewunderte Rook, denn was sie sagte, war in gewisser Weise so tödlich wie ein Schwert, da sie Zwietracht unter den Feinden säte, dies jedoch als schlichten Eigennutz tarnte. Amara konnte sich vorstellen, dass die meisten Frauen und

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