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Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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geschwächt, aber ansonsten halbwegs in Form. Anschließend wurde er zu einem Hangar gebracht und Colonel Gantner vorgestellt, der sofort sein bester Freund wurde. Gantner forderte ihn auf, die Uniform abzulegen und einen grünen Militärjumpsuit anzuziehen, über dessen rechter Brusttasche sich ein Aufnäher mit dem Namen HERZOG befand. »Bin ich das?«, fragte Joel mit einem Blick auf das Namensschild.
    »Nur für die nächsten achtundvierzig Stunden.«
    »Welcher Rang?«
    »Major.«
    »Nicht übel.«
    Irgendwann während des kurzen Treffens entfernten sich Mr Sizemore aus Washington und Special Agent Adair unauffällig, und Joel Backman sollte sie nie Wiedersehen. Im ersten Morgenlicht stieg er durch die hintere Ladeluke in eine C-130-Transportmaschine und folgte Gantner auf die obere Ebene in einen kleinen Raum mit Pritschen, wo sich sechs Soldaten auf eine lange Reise vorbereiteten.
    »Nehmen Sie diese Koje«, sagte Gantner.
    »Darf ich fragen, wohin die Reise geht?«, flüsterte Joel.
    »Fragen dürfen Sie, aber ich darf nicht antworten.«
    »Bin eben neugierig.«
    »Ich informiere Sie vor der Landung.«
    »Wie lange wird es bis dahin dauern?«
    »Etwa vierzehn Stunden.«
    Es gab keine Fenster, die Ablenkung versprochen hätten, und so legte Joel sich hin und zog sich die Decke über den Kopf. Als die Maschine abhob, schnarchte er bereits.
3
    N ach nur wenigen Stunden Schlaf verließ Critz das Haus, lange vor den Feierlichkeiten zur Amtseinführung des neuen Präsidenten. Direkt nach Anbruch des Tages flog er mit seiner Frau in einem der vielen Privatjets seines neuen Arbeitgebers nach London, wo er zwei Wochen bleiben wollte. Dann würde er in die Washingtoner Tretmühle zurückkehren, als neuer Lobbyist in einem sehr alten Spiel. Schon die Vorstellung war ihm verhasst. Jahrelang hatte er miterlebt, wie Verlierer in der Hoffnung auf eine neue Karriere die Seiten wechselten, ihren ehemaligen Kollegen die Daumenschrauben ansetzten und ihre Seele an jeden verkauften, der genug Geld hatte, um sich Einfluss zu verschaffen. Es war ein verkommenes Geschäft. Er hatte die Nase voll vom politischen Leben. Nur kannte er leider kein anderes.
    Er würde noch ein paar Jahre dabeibleiben, vielleicht ein Buch schreiben und Vorträge halten, falls ihn jemand hören wollte. Critz wusste, wie schnell die einst Mächtigen in Washington vergessen wurden.
    Präsident Morgan und CIA-Direktor Maynard hatten sich geeinigt, die Backman-Story vierundzwanzig Stunden zurückzuhalten. Dann war die Amtseinführung längst über die Bühne gegangen. Morgan konnte es egal sein, da er schon auf Barbados sein würde. Critz allerdings fühlte sich nicht an irgendein Abkommen gebunden, insbesondere dann nicht, wenn Teddy Maynard daran beteiligt war. Nach einem langen Abendessen mit reichlich Wein rief er irgendwann gegen zwei Uhr morgens Londoner Ortszeit einen für das Weiße Haus zuständigen CBS-Korrespondenten an und informierte ihn knapp über Backmans Begnadigung. Wie er vorhergesehen hatte, brachte CBS die Nachricht in der frühmorgendlichen Tratschstunde, und schon vor acht Uhr wusste in der Hauptstadt jeder Bescheid.
    Joel Backman war in letzter Minute vollständig rehabilitiert und begnadigt worden!
    Einzelheiten seiner Entlassung kannte niemand. Bis zu diesem Moment hatte man ihn im Hochsicherheitstrakt eines Gefängnisses in Oklahoma vermutet.
    Und so stand der erste Arbeitstag des neuen Präsidenten in der hektischen Hauptstadt ganz im Zeichen von Joel Backmans Begnadigung.
     
    Die Kanzlei Pratt & Bolling, die schon zweimal Konkurs angemeldet hatte, residierte mittlerweile an der Massachusetts Avenue, vier Blocks nördlich des Dupont Circle – keine schlechte Adresse, aber nicht annähernd so erstklassig wie die alte an der New York Avenue. Vor ein paar Jahren, als Joel Backman noch das Ruder in der Hand gehabt hatte – damals hieß die Kanzlei Backman, Pratt & Bolling –, hatte er Wert darauf gelegt, die höchste Miete in der ganzen Stadt zu bezahlen, weil er durch das Panoramafenster seines riesigen Büros im siebten Stock auf das Weiße Haus herabblicken konnte.
    Jetzt gab es keine luxuriösen Büros mehr. Die Fenster boten keine großartigen Aussichten, geschweige denn eine aufs Weiße Haus, und das Gebäude war nicht sieben-, sondern nur zweistöckig. Der Personalbestand war von zweihundert hoch bezahlten Anwälten auf dreißig um ihre Existenz kämpfende gesunken. Der erste Konkurs – intern als »Backman I« bezeichnet

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