Die Begnadigung
der Söhne hatte seinen Vorschlag durchgesetzt, ihn einäschern und in einer hübschen Marmorgruft beisetzen zu lassen. Mrs Critz wäre inzwischen wahrscheinlich mit allem einverstanden gewesen. Nachdem sie sieben Stunden über den Atlantik geflogen war, die sterblichen Überreste ihres Gatten in einem ziemlich profanen, speziell für Lufttransporte geeigneten Behälter irgendwo unter ihren Füßen, waren ihre Nerven zum Zerreißen gespannt. Und dann noch das Debakel am Flughafen, als niemand kam, um sie abzuholen. Was für ein Chaos!
Die Feier war nur für geladene Gäste. Diese Bedingung hatte Ex-Präsident Arthur Morgan gestellt, der nach lediglich zwei Wochen Barbados reichlich ungern heimkam und auf keinen Fall gesehen werden wollte. Wenn er den lebenslangen Freund tatsächlich betrauerte, so zeigte er das nicht. Er feilschte mit den Critz’ um die Einzelheiten der Feier, bis sie kurz davor waren, ihn wieder auszuladen. Seinetwegen wurde der Termin verschoben, die Reihenfolge der Zeremonie passte ihm nicht, und einer Trauerrede stimmte er nur zu, wenn er sich kurz fassen durfte. Die Wahrheit war, dass er Mrs Critz nie hatte leiden können und sie ihn auch nicht.
Dem kleinen Kreis von Freunden und Verwandten schien es ganz und gar unfassbar, dass Robert Critz sich in einem Londoner Pub so betrunken hatte, dass er auf dem Heimweg vor ein Auto gelaufen war. Als die Autopsie signifikante Spuren von Heroin in seinem Blut ergab, war Mrs Critz so aufgelöst, dass sie den Ergebnisbericht versiegeln und am liebsten vergraben lassen wollte. Sie verriet nicht einmal den Kindern etwas von dem Rauschgift, weil sie felsenfest davon überzeugt war, dass ihr Mann nie im Leben Drogen angefasst hatte – gut, er hatte zu viel getrunken, aber das wussten die wenigsten –, und sie war fest entschlossen, seinen guten Namen zu schützen.
Die Londoner Polizei war gern bereit, den Autopsiebericht wegzuschließen und den Fall zu den Akten zu legen. Sicher gab es noch offene Fragen, aber man hatte jede Menge andere Fälle zu bearbeiten, außerdem wollte die Witwe so schnell wie möglich nach Hause und alles hinter sich bringen.
Der Gottesdienst begann am Donnerstag um vierzehn Uhr – selbst die Tageszeit war von Morgan vorgegeben worden, so hatte er mit seinem Privatjet von Barbados ohne Zwischenstopp zum Philadelphia International Airport fliegen können – und dauerte eine Stunde. Zweiundachtzig Gäste waren eingeladen worden, einundfünfzig kamen, die meisten wohl eher, um Ex-Präsident Morgan zu sehen, als um dem guten alten Critz Lebewohl zu sagen. Die Zeremonie wurde von einem Geistlichen irgendeiner protestantischen Freikirche geleitet. Critz hatte vierzig Jahre lang kein Gotteshaus von innen gesehen, außer zu Hochzeiten und Beerdigungen. Der Pfarrer hatte die undankbare Aufgabe, eines Mannes zu gedenken, den er nie kennen gelernt hatte, und obwohl er sich alle Mühe gab, versagte er kläglich. Er las aus dem Buch der Psalmen und sprach ein Gebet, das so allgemeingültig war, dass es auf einen Diakon ebenso gepasst hätte wie auf einen Serienmörder. Er versuchte, tröstende Worte für die trauernden Angehörigen zu finden, die er nicht einmal mit Namen anreden konnte.
Der Gottesdienst war kein herzerwärmender Abschied, sondern kalt wie der Marmor in der Trauerhalle. Morgan, dessen Gesichtsfarbe für Februar geradezu lächerlich dunkel war, versuchte, die kleine Trauergemeinde mit Anekdoten über seinen alten Freund aufzuheitern, vermittelte dabei aber vor allem den Eindruck, er säße viel lieber längst wieder in seinem Flieger.
Nach langen Stunden unter der karibischen Sonne war Morgan zu der Überzeugung gelangt, dass das katastrophale Ergebnis der letzten Wahl allein auf Robert Critz’ Konto ging. Von dieser Erkenntnis hatte er bislang niemandem erzählt – was auch schwierig gewesen wäre, denn im Strandhaus lebten außer ihm nur ein paar einheimische Bedienstete. Aber der Keim des Grolls war in ihm aufgegangen, und er hatte längst begonnen, die Freundschaft infrage zu stellen.
Als der Gottesdienst endlich vorbei war, kondolierte er Mrs Critz und ihren Kindern pflichtgemäß und redete kurz mit ein paar alten Freunden, denen er versprach, sich in einigen Wochen zu melden. Dann eilte er mitsamt seiner obligatorischen Geheimdiensteskorte davon. Hinter einem Zaun, außerhalb des Geländes, waren Fernsehkameras aufgestellt, aber sie bekamen kein einziges Bild vom ehemaligen Präsidenten, der sich im Fond eines
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