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Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Italienischen, Marco?«
    »Ich habe die Nase voll davon«, erwiderte Marco lächelnd.
    »Gut. Dann reden wir englisch.«
    »Gott segne Sie«, sagte Marco.
    Whitaker saß zwei Meter entfernt rauchend hinter seiner Zeitung versteckt, als interessierte er sich nicht im Mindesten für seine Umgebung. Natürlich wusste er, wer Ermanno war, auch wenn er ihn noch nie gesehen hatte. Im Gegensatz zu Marco.
    Whitaker war vor etwa zwölf Jahren beruflich in Washington gewesen, zu einer Zeit, als der Lobbyist in der ganzen Stadt bekannt war. Joel Backman war damals eine politische Größe gewesen, ein Mann, der ebenso viel Zeit darauf verwendete, sein Image zu pflegen, wie sich um seine berühmten Mandanten zu kümmern. Er war der Inbegriff von Reichtum und Macht, ein einflussreicher Geldsack, der sich alles erlauben, alles erreichen konnte.
    Erstaunlich, was die sechs Jahre Gefängnis bewirkt hatten. Marco war hager und ging mit seiner Armani-Brille und dem von silbernen Fäden durchzogenen Kinnbart ohne weiteres als Europäer durch. Whitaker war sicher, dass niemand aus den Staaten diesen Mann als Joel Backman identifizieren würde.
    Marco fiel auf, dass der Tischnachbar, der kaum drei Meter entfernt saß, einmal zu oft herüberblickte, dachte sich aber nichts dabei. Sie unterhielten sich auf Englisch, das hörte man hier nicht so häufig, im Lestre’s schon gar nicht, anders als in unmittelbarer Nähe der Universität, wo in den Cafés praktisch alle Sprachen der Welt gesprochen wurden.
    Ermanno entschuldigte sich nach einem Espresso. Wenige Minuten später brach auch Whitaker auf. Ein paar Straßen weiter betrat er ein Internetcafé, in dem er schon gewesen war. Nachdem er seinen Laptop angeschlossen hatte, ging er online und schrieb eine E-Mail an Julia Javier in Langley.
     
    Fondazza ist fertig, Einzug soll heute Abend stattfinden. Habe mir unseren Mann angesehen, beim Kaffeetrinken mit unseren Freunden. Hätte ihn sonst nicht erkannt. Passt sich gut an. Alles in Ordnung hier; keinerlei Probleme.
     
    Der Fiat hielt nach Sonnenuntergang mitten auf der Via Fondazza und war rasch entladen. Marco hatte nur leichtes Gepäck, da er praktisch nichts besaß – zwei Taschen mit Kleidung und ein paar Italienischbücher, mehr hatte er nicht zu transportieren. Als er seine neue Wohnung betrat, fiel ihm als Erstes auf, dass sie ausreichend beheizt war. »Hier kann man’s schon eher aushalten«, sagte er zu Luigi.
    »Ich suche einen Parkplatz. Sehen Sie sich inzwischen um.«
    Marco wanderte durch die Wohnung und zählte vier Zimmer mit solidem Mobiliar. Es war nichts Besonderes, aber eine enorme Verbesserung gegenüber seiner vorherigen Unterkunft. Sein Leben verbesserte sich zusehends – vor zehn Tagen war er noch im Gefängnis gewesen.
    Luigi kam zurückgeeilt. »Und? Was meinen Sie?«
    »Ich bleibe. Danke.«
    »Keine Ursache.«
    »Dank auch an die Jungs in Washington.«
    »Haben Sie die Küche gesehen?« Luigi schaltete das Licht ein.
    »Ja, perfekt. Wie lange werde ich hier wohnen, Luigi?«
    »Die Entscheidung liegt nicht bei mir. Das wissen Sie doch.«
    »Natürlich.«
    Dann waren sie wieder im Wohnzimmer. »Noch ein paar Dinge«, setzte Luigi an. »Erstens, Ermanno wird jeden Tag hierher kommen, um Unterricht mit Ihnen zu machen, vormittags von acht bis zwölf, nachmittags von zwei bis fünf – oder so lange Sie möchten.«
    »Wunderbar. Bitte besorgen Sie dem Jungen eine andere Wohnung, ja? Dieses Loch ist eine Beleidigung für den amerikanischen Steuerzahler.«
    »Zweitens, dies ist eine sehr ruhige Straße. Kommen und gehen Sie zügig, reden Sie nicht mit den Nachbarn, schließen Sie keine Bekanntschaften. Vergessen Sie nicht, Marco, je mehr Spuren Sie hinterlassen, desto eher werden Sie gefunden.«
    »Das haben Sie mir schon zehnmal erzählt.«
    »Dann erzähle ich es jetzt eben das elfte Mal.«
    »Entspannen Sie sich, Luigi. Meine Nachbarn werden mich nicht zu Gesicht bekommen, versprochen. Mir gefällt’s hier. Es ist viel netter als in meiner Gefängniszelle.«
14
    D ie Trauerfeier für Robert Critz fand in einem Country-Club-artigen Mausoleum in einem feudalen Vorort von Philadelphia statt, jener Stadt, in der er geboren worden war, die er aber in den letzten dreißig Jahren gemieden hatte. Da er ohne Testament gestorben war, hatte die arme Mrs Critz nicht nur die leidvolle Aufgabe, seinen Leichnam aus London nach Hause zu bringen, sondern sie musste auch noch entscheiden, wie mit ihm verfahren werden sollte. Einer

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