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Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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milliardenschwerer Geschäfte hatte er Kontakte zu Banken in der Schweiz und auf den karibischen Inseln gepflegt. Er besaß ein dichtes Netz schemenhafter Freunde in wichtigen Positionen. Bestechung, Schmiergelder, Wahlkampfspenden, Parteienfinanzierung – auf diesem Terrain war er zu Hause.
    FBI-Direktor Anthony Price war zu allem entschlossen. Präsident Morgan hatte ihn drei Jahre zuvor eingesetzt, aber sechs Monate später bereits versucht, ihn wieder loszuwerden. Price hatte um mehr Zeit gebeten und sie auch bekommen, doch seither schwelte zwischen den beiden eine persönliche Dauerfehde. Aus Gründen, an die er sich selbst nicht mehr erinnerte, hatte Price außerdem beschlossen, mit CIA-Chef Teddy Maynard die Klingen zu kreuzen. Maynard hatte in dem geheimen Krieg der Dienste noch selten eine Schlacht verloren, und vor Price hatte er schon gar keine Angst, denn der war seiner Meinung nach genauso ein Versager wie die meisten seiner Vorgänger.
    Aber Maynard wusste nicht, dass dem FBI-Direktor unverhofft erkaufte Straferlasse in den Schoß gefallen waren. Der neue Präsident hatte bereits angekündigt, dass er Anthony Price aus dem Amt jagen und dessen Laden auf Vordermann bringen werde. Er hatte zwar auch versprochen, Maynard in die Wüste zu schicken, aber diese Drohung hatte man in Washington schon zu oft gehört, um ihr noch Glauben zu schenken.
    Price witterte plötzlich eine wunderbare Chance, seinen Arbeitsplatz zu sichern und gleichzeitig Maynard kaltzustellen. Er ging ins Weiße Hause und informierte den nationalen Sicherheitsberater, der erst einen Tag im Amt war, über das verdächtige Konto in Singapur. Dabei belastete er Ex-Präsident Morgan schwer und forderte, dass Joel Backman aufgespürt und in die Staaten zurückgeholt werde, um verhört und gegebenenfalls unter Anklage gestellt zu werden. Wenn das alles stimme, drohe ein Skandal, wie ihn die Welt noch nicht gesehen habe.
    Der nationale Sicherheitsberater hörte aufmerksam zu. Nach der Unterredung ging er ins Büro des Vizepräsidenten, schickte die Mitarbeiter hinaus, schloss die Tür ab und erzählte, was er soeben erfahren hatte. Gemeinsam suchte man daraufhin den Präsidenten auf.
    Der neue Mann im Amt und sein Vorgänger waren nicht gut aufeinander zu sprechen, was an sich nichts Außergewöhnliches war. Die Wahlkampagnen waren von Niedertracht und hinterhältigen Tricks geprägt gewesen, also dem üblichen Umgangston, der in der modernen amerikanischen Politik gepflegt wurde. Doch selbst nach einem Erdrutschsieg von historischen Ausmaßen und im Triumphgefühl, ins Weiße Haus einziehen zu dürfen, war der neue Präsident nicht gewillt, sich über diesen moralischen Sumpf zu erheben. Die Vorstellung, Arthur Morgan eine weitere Demütigung zuzufügen, erschien ihm zu verlockend. Schon sah er sich selbst, wie er nach einem Sensationsprozess seinerseits großzügig einen Straferlass aussprach, um das Amt des Präsidenten vor dem verheerenden Imageverlust zu schützen.
    Was für ein Augenblick!
    Bereits um sechs Uhr am folgenden Morgen fuhr der Vizepräsident in seinem mit Panzerglas gesicherten Dienstfahrzeug zum CIA-Hauptquartier in Langley. Eigentlich war Direktor Maynard ins Weiße Haus berufen worden, aber er hatte sich entschuldigen lassen, weil er unter Schwindelanfällen leide und auf Anraten der Ärzte sein Büro nicht verlassen solle. Es kam in der Tat oft vor, dass er dort aß und sogar übernachtete, vor allem wenn sich die Anfälle häuften. Nützliche Gebrechen, diese Schwindelanfälle – ebenso wie die vielen anderen, die er hatte.
    Das Treffen war kurz. Maynard saß, in Decken gewickelt, am Ende des langen Konferenztisches in seinem Rollstuhl, Hoby an seiner Seite. Der Vizepräsident hatte nur einen Berater mitgebracht. Nach einem kurzen, ziemlich steifen Geplänkel über die neue Administration kam er zum Punkt: »Mr Maynard, ich bin im Namen des Präsidenten hier.«
    »Natürlich sind Sie das«, erwiderte Maynard mit einem sehr knappen Lächeln. Er rechnete fest damit, gefeuert zu werden. Jetzt war es so weit, nachdem man ihm achtzehn Jahre lang immer wieder damit gedroht hatte. Endlich ein Präsident, der Manns genug war, Teddy Maynard zu ersetzen. Während sie auf den Vize warteten, hatte er Hoby eingeweiht, damit er auf alles vorbereitet war.
    Hoby kritzelte wie immer auf seinen Notizblock, diesmal in der bangen Erwartung, gleich die Worte schreiben zu müssen, mit denen er seit Jahren rechnete: Mr Maynard, der

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