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Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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erzählte endlos lange von einer Laura, die es gar nicht gab. Und als er mit ihr fertig war, musste er mit seinem ältesten Sohn weitermachen, der Alex hieß. Dreißig Jahre alt, Rechtsanwalt in Vancouver, geschieden, zwei Kinder usw.
    Zum Glück hatte ihn Luigi mit einem kurzen Lebenslauf von Marco Lazzeri versorgt, in dem auch sämtliche Daten standen, über die er jetzt im hinteren Teil dieser frostig kalten Kirche redete. Francesca forderte ihn zum Weitersprechen auf, verbesserte ihn unermüdlich und mahnte ihn, nicht zu schnell zu sprechen, wozu viele Anfänger neigten.
    » Deve parlare lentamente « , sagte sie immer wieder. Sie müssen langsam sprechen.
    Sie war streng und ernst, aber auch sehr motivierend. Wenn er es schaffen würde, auch nur halb so gut Italienisch zu lernen, wie sie Englisch sprach, war schon viel gewonnen. Und wenn sie an ständige Wiederholungen glaubte, tat er das auch.
    Während sie über seine Mutter sprachen, betrat ein älterer Herr die Kirche und setzte sich in die Bank direkt vor ihnen. Bald schon war er in Andacht und Gebet versunken. Sie beschlossen, die Kirche zu verlassen. Da immer noch leichter Schnee fiel, gingen sie in das nächste Café, wo sie Espresso bestellten und Francesca sich eine Zigarette ansteckte.
    » Possiamo adesso parlare della Sua famiglia? « , fragte er. Können wir jetzt über Ihre Familie reden?
    Zu seiner Überraschung lächelte sie und erwiderte:
    » Benissimo, Marco. Ma non possiamo, mi dispiace. «
    Das geht nicht, tut mir Leid.
    » Perché no? « Warum nicht?
    » Abbiamo delle regole. « Wir haben Regeln.
    » Dov’è Suo marito? « Wo ist Ihr Mann?
    » Qui, a Bologna. «
    » Dove lavora? « Wo arbeitet er?
    » Non lavora. «
    Nach ihrer zweiten Zigarette wagten sie sich wieder unter die Arkaden hinaus, wo Francesca den Schnee als Unterrichtsthema nutzte. Sie sagte kurze Sätze auf Englisch, die er übersetzen sollte. Es schneit. In Florida schneit es nie. Vielleicht wird es morgen schneien. Letzte Woche hat es zweimal geschneit. Ich liebe Schnee. Ich hasse Schnee.
    Sie liefen am Rand der Piazza Maggiore entlang und blieben unter den Arkaden. In der Via Rizzoli kamen sie an dem Geschäft vorbei, in dem Marco seine Schuhe und die Winterjacke gekauft hatte. Er dachte, Francesca wollte die Geschichte vielleicht hören, und war sicher, dass er das meiste davon auf Italienisch erzählen konnte. Doch dann ließ er die Gelegenheit verstreichen, weil sie so mit dem Wetter beschäftigt schien. An einer Kreuzung blieben sie stehen und sahen zu den Due Torri hoch, den zwei verbliebenen Geschlechtertürmen, auf die die Bologneser so stolz waren.
    Früher waren es mehr als zweihundert Türme, sagte sie. Dann bat sie ihn, den Satz zu wiederholen. Er versuchte es, fing aber bei der Vergangenheitsform und der Zahl zu stottern an – und musste den verdammten Satz so lange wiederholen, bis alles richtig war.
    Aus Gründen, die moderne Italiener nicht erklären können, entwickelten ihre Vorfahren im Mittelalter eine geradezu zwanghafte Vorliebe für den Bau hoher, schlanker Wohntürme. Da Kriege zwischen den Adelsgeschlechtern und Auseinandersetzungen auf lokaler Ebene damals an der Tagesordnung waren, dienten die Türme in erster Linie dem Schutz ihrer Bewohner. Sie waren hervorragende Aussichtsposten und sehr nützlich bei Angriffen, doch für Wohnzwecke denkbar ungeeignet. Um die Vorräte vor Plünderungen zu schützen, wurden die Küchen oft im obersten Stockwerk eingerichtet, dreihundert oder mehr Treppenstufen über der Straße, sodass zuverlässiges Hauspersonal nur schwer zu finden war. Brachen Kämpfe aus, flogen Pfeile und Speere kurzerhand zwischen den Türmen der verfeindeten Familien hin und her, damit man nicht wie das gemeine Volk auf der Straße unten kämpfen musste.
    Die Türme wurden auch bald zum Statussymbol. Kein Adliger, der etwas auf sich hielt, konnte zulassen, dass sein Nachbar und/oder Rivale einen höheren Turm hatte. Und so veränderte im zwölften und dreizehnten Jahrhundert ein sonderbarer Wettstreit das Stadtbild von Bologna, bei dem die Adligen mit aller Macht zu verhindern suchten, dass sie von ihren Nachbarn übertrumpft wurden. Die Stadt erhielt den Beinamen la turrita, »die Getürmte«. Ein englischer Reisender nannte sie einmal »ein Spargelbeet«.
    Im vierzehnten Jahrhundert konnte sich ein Stadtparlament in Bologna etablieren, und seinen Mitgliedern mit Weitblick war klar, dass den Adligen Einhalt geboten werden musste. Wann

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