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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verzeihen, Jens? Eine Mutter nie!«
    »Und … und wenn wir wirklich von vorn beginnen?« Die Anklage Karins traf ihn tief.
    »Ohne deine Klinik?« fragte Karin.
    »In meiner Klinik …«
    »Du kannst dein Leben nicht mehr ändern, Jens …«
    »Überleg es dir, Karin«, sagte er bittend. »Ich bin gar nicht so stark, wie du meinst. Manchmal habe ich große Angst, so völlig allein zu sein. Ich brauche einen Menschen, zu dem ich sprechen kann … sprechen, Karin …«
    Karin hob die Arme, es war eine hilflose, rührende Bewegung. »Ich habe nicht die Kraft dazu, Jens. Ich bin all dem, was du von mir erwartest, was ich mit dir tragen soll, nicht gewachsen. Ich kann ja nichts dafür …«
    Hansen wandte sich ab. Langsam ging er durchs Zimmer, öffnete die Tür zum Garten und ging mit gesenktem Kopf hinaus. Karin hielt ihn nicht zurück … sie sah ihm nach, wie er um das andere Haus und dann hinter der Hecke entlang zum Wald ging.
    Es dauerte fast eine Stunde, bis er zurückkehrte. Er wird sich erkältet haben, dachte Karin. Sie warf den Mantel über und lief ihm entgegen.
    »Komm, Jens!« rief sie. »Es ist doch zu kalt da draußen, ohne Mantel und Schal …«
    Am Abend hustete er. Karin packte ihn ins Bett. Sie sprach nicht mehr davon, daß er wieder abfahren müsse. Sie maß das Fieber, und als er 39,5 hatte, rief sie Hansens Nachfolger an. Dann telefonierte sie mit der Klinik und sagte, daß der ›Chef‹ frühestens in vier Tagen zurück sein werde. Später, als der Arztkollege gegangen war – »Eine Woche Bettruhe, oder Sie haben die schönste Pneumonie!« – saß Karin an Hansens Bett und flößte ihm heißen Fliedertee ein.
    »So eine Unvernunft!« sagte sie. »Der berühmte Krebsarzt benimmt sich wie ein Kind!«
    »Jetzt kann ich wenigstens eine Woche bei dir sein …«
    Am Abend rief auch Schwager Kieling aus Hamburg an.
    »Kommst du Sonntag zu uns, Karin?«
    »Nein, Hugo.« Karins Stimme hatte einen veränderten Klang. Kieling hörte es und wunderte sich. Die Weichheit der stillen Dulderin, die Karin zwei Jahre lang getragen hatte, war plötzlich fort. »Ich kann nicht weg von hier!«
    »Gäste? Um diese Jahreszeit? Das müssen rabiate Naturen sein!« Rechtsanwalt Kieling lachte. »Dann kommen wir auf einen Sprung zu dir.«
    »Bitte – nein …«, sagte Karin stockend. Kieling hielt seine dicke Hand an die Sprechmuschel und sah seine Frau an.
    »Deine Schwester hat einen Liebhaber«, sagte er leise. »Sie will uns am Sonntag nicht dahaben. Was sagste nun?«
    »Karin? Nie!« Frau Kieling beugte sich an das Telefon, um mitzuhören.
    »Hugo?« fragte Karin.
    »Ja …«
    »Ihr nehmt es mir doch nicht übel. Aber … aber … es geht eben nicht.«
    »Verstehe!« Hugo Kieling lachte fett. »Man ist nur einmal jung. Und wo jetzt die langen Nächte beginnen …«
    »Jens ist bei mir!« rief Karin. Es war wie ein Freudenschrei. Kieling riß die Augen auf.
    »Jens Hansen? Bist du total verrückt, Karin?! Was will der Kerl bei dir? Ich komme sofort …«
    »Nein! Er ist oben und liegt im Bett – .«
    »Im … Bett …?« Kieling schnaufte. »O Gott, wenn man die Weiber allein läßt!«
    »Ich bin so glücklich, Hugo.« Karins Stimme brach zusammen. Sie weinte plötzlich. »So glücklich … Er ist krank … er braucht mich … Ich muß bei ihm sein … Verzeiht mir – aber ich bin wirklich so glücklich –«
    Sie warf den Hörer zurück und rannte wieder hinauf ins Schlafzimmer.
    Hansen schlief. Sein eingemummter Körper dampfte. Leise beugte sich Karin über den Schlafenden und trocknete ihm die Stirn, die Augen, die Mundwinkel, den Hals. Dann küßte sie ihn auf die zusammengepreßten Lippen.
    Ganz sacht, damit er nicht erwachte.
    Vierzehn Tage später unternahm Oberstaatsanwalt Dr. Barthels den ersten Vorstoß. Er besuchte seine Schwägerin in der ›See-Klinik‹ und war nicht frei von Vorurteilen gekommen. Er hatte vorher mit Professor Runkel gesprochen und einige diskrete Winke erhalten, worauf zu achten sei. Sollte Hansen von Heilung sprechen – jedes Versprechen von Heilung war ein Vergehen …
    Dr. Hansen hatte den Oberstaatsanwalt längst erwartet. Da er noch zwei andere Besucher vor ihm abzufertigen hatte, ließ er ihn bitten, sich zu gedulden. Es gab keine Bevorzugung und keine Unterschiede in der Klinik.
    Oberstaatsanwalt Dr. Barthels vermerkte übelgelaunt, daß er nicht sofort vorgelassen wurde, und faßte es als beabsichtigte Provokation Hansens auf. Auch sein Wunsch, seine Schwägerin dann eher

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