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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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beeinflussen zu können.
    (Geheimrat Prof. Sauerbruch auf der Tagung der Deutschen Röntgengesellschafl 1938)
    Elfriede Barthels lag apathisch in ihrem Bett. Man hatte es an die offene Fenstertür des Balkons gerollt. Dick zugedeckt lag sie in der kühlen, abhärtenden Luft, ein Bündel Mensch, das Angst hatte. Nach außen hin hielt sie sich immer tapfer … nur wenn sie allein war, erschöpft, von Schmerzen gepeinigt, drückte sie das Gesicht seitlich in die Kissen und weinte.
    Dr. Reitmayer nahm Oberstaatsanwalt Dr. Barthels in Empfang.
    »Zwanzig Minuten, Herr Barthels«, sagte er. »Die Patientin befindet sich in einer Krisis …«
    Barthels sah den jungen Mann von oben herab an. Sehr jung noch, dachte er. Und nimmt sich entsprechend wichtig.
    Er betrat das Krankenzimmer, nachdem er auf dem Flur die mitgebrachten Blumen ausgewickelt und der Schwester das Papier in die Hand gedrückt hatte. Ein Luftzug von der offenen Balkontür wehte ihm entgegen. Schnell schloß er die Zimmertür und trat an das Bett seiner Schwägerin.
    »Elfriede!« sagte er. Aber dann, als er dieses schon so grausam gezeichnete Gesicht sah, gehorchte ihm die Stimme nicht mehr. Die eingesunkenen Augen, die fahlen Lippen. Die dünnen, blassen Arme. Mein Gott, sie liegt ja im Sterben, durchfuhr es ihn. Sieht das denn keiner? Und dieser Hansen sagt auch noch: Es geht ihr gut! Das ist ja eine Lüge … eine gemeine, freche Lüge …
    Er starrte auf die offene Balkontür, durch die ein leichter, frischer Seewind ins Zimmer wehte.
    Mord ist das, dachte Barthels.
    »Frierst du nicht, Elfriede?« fragte er erregt. Er setzte sich auf einen Stuhl neben das Bett und tastete nach ihrer Hand. Sie war eiskalt, wie abgefroren. Da sprang er wieder auf, stemmte sich gegen das Bett, rollte es ins Zimmer zurück und schloß die Balkontür energisch.
    »So!« sagte er laut. »Jetzt wirst du dich wohler fühlen, Elfriede! Sie haben dich wohl vergessen, was?« Er legte ihr die Blumen auf die Bettdecke, schellte dann nach der Schwester, da er bei einem kurzen Rundblick keine Vase fand.
    Elfriede Barthels lächelte schwach und tapfer. »Sie tun alles für mich. Alles, was nur möglich ist. Vorige Woche haben sie mir die Mandeln herausoperiert … Sie waren ganz zerklüftet und vereitert. Und alle Zähne haben sie mir gezogen.«
    »Alle … Zähne …«, stotterte Dr. Barthels. Er konnte es einfach nicht fassen, was man einer Sterbenden hier noch antat. Das ist doch keine Therapie mehr, dachte er erbost. Das ist eine Quälerei!
    Da auf sein erstes Läuten noch niemand gekommen war, beugte er sich vor und drückte den Zeigefinger so lange auf die Klingel, bis die Schwester förmlich angestürzt kam.
    »Eine Vase!« rief Dr. Barthels. »Für die Blumen! Wenn es hier immer so lange dauert, bis auf das Klingeln eines Patienten jemand kommt …«
    Die junge Schwester sah die geschlossene Balkontür.
    »War die Tür nicht offen?« fragte sie höflich.
    »Sie war!« rief Barthels energisch. »Aber ich habe sie zugemacht. Meine Schwägerin soll nicht erfrieren!«
    »Es ist aber eine Anordnung des Chefs, daß …«
    »Dann soll sich Ihr Chef gefälligst in die Zugluft legen! Die Tür bleibt zu!«
    Schnell verließ die Schwester das Zimmer. Der Oberstaatsanwalt setzte sich wieder neben seine Schwägerin und nahm ihre kalte Hand.
    »Wie gefällt es dir hier?«
    »Sehr gut, Schwager. Sie geben sich alle Mühe …«
    »Fühlst du dich besser?«
    »Ich weiß nicht …«
    »Strengt dich die Behandlung sehr an?«
    Es sollte vorsorglich klingen, mitfühlend, aber so sehr sich Barthels Mühe gab, es wurde immer wieder ein Verhör. Elfriede spürte es jedoch nicht, sie hatte die Augen geschlossen. Eine Schmerzwelle durchraste wieder ihren Körper.
    »Der Doktor sagt, das ist nur vorübergehend. Der Körper wehrt sich …« Sie öffnete die Augen. Eine unendliche Qual schlug Dr. Barthels entgegen, so abgrundtief, daß er unwillkürlich den Atem anhielt. Sie umklammerte seine Hand und versuchte, sich aufzurichten. »Ich habe solche Angst«, sagte sie heiser vor Erregung. »Solche Angst, daß vielleicht alles umsonst ist … Manchmal denke ich, daß der Tod eine Erlösung ist … Wenn nun alles vergeblich war …«
    »Es ist nicht vergeblich, Elfriede«, sagte Barthels ergriffen. »Alles im Leben hat einen Sinn. Auch, daß du hier liegst. Glaub es mir …«
    Dann bemächtigte sich seiner ein maßloser Zorn. Plötzlich hatte er es eilig, fortzukommen. Als habe er um ein Haar einen wichtigen

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