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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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elf Monate länger leben konnte, sollten Sie nicht nur als eine gute, sondern als eine große Tat ansehen.«
    Für den Oberarzt Dr. Färber kam eine unruhige Zeit.
    Dr. Hansen beschrieb den Fall seiner Mutter in verschiedenen medizinischen Zeitschriften. ›Über die Möglichkeiten einer Ganzheitstherapie des Karzinoms als chronische Erkrankung des Organismus.‹
    »Hier!« ereiferte sich Hubert Färber und hielt Herta die Zeitschriften unter die Augen. »Der Angriff beginnt. Er geht mit seiner Wahnsinnsidee hausieren. Er macht die Welt verrückt, wie ein Scharlatan. Früher heilte man mit Froschschenkeln und Spinneneiern … heute ist es die Diät und die frische Luft! Wie kann man eine solche Idiotie bloß abdrucken? Ich bin gespannt, welche Antworten er bekommt. Auch ich werde ihm antworten. Mit Zahlen, mit Statistiken. Ich werde diesen Gernegroß zerrupfen wie eine Gans! Ich werde ihm entgegenschreien: Wer den Krebs nicht anders bekämpft als mit dem Skalpell und der Bestrahlung, ist ein Mörder! Das werde ich schreiben, rücksichtslos!«
    »Du mußt ihn widerlegen, Hubert«, sagte Herta freundlich. Es machte ihr Freude, daß Färber sich so erregte.
    »Das werde ich. Ich werde ihm Unwissenschaftlichkeit vorwerfen!«
    »Kannst du das?«
    »Immer! Wer sich von der Schulmedizin entfernt – vor allem beim Krebs – ist ein toter Mann! Ich werde es diesem Dr. Hansen begreiflich machen!«
    Er nahm die Zeitungen und rannte in sein Arbeitszimmer. Dort warf er sich in den Lederstuhl, starrte auf die dicken Rücken seiner medizinischen Bibliothek und versuchte, seine Gedanken zu ordnen.
    Man sollte zuerst einmal mit dem Chef sprechen, dachte er, nachdem die Erregung verraucht war. Professor Runkel ist ein nüchterner Kopf. Ein Mathematiker unter den Medizinern. Wer ihn näher kennt, behauptet, er habe als Herz ein präzise arbeitendes Relais. Und ein Relais reagiert nicht auf Leidenschaften.
    Dr. Färber packte die Zeitschriften in seine Aktentasche, zögerte, aus der alten Scheu heraus, den Chef ungefragt zu belästigen, dann rief er an und bat Professor Runkel um eine außerklinische Unterredung.
    Runkel sagte zu. Am nächsten Donnerstag in seiner Villa.
    Um die gleiche Zeit meldete sich bei Dr. Hansen ein Herr. Er tat es nicht schriftlich, er kam einfach. Mit einem großen amerikanischen Wagen, einem Chauffeur, einem Berg von Koffern, die ein Diener vor dem Hansenschen Haus an den Gartenzaun stellte.
    Karin beobachtete hinter der Gardine die merkwürdigen Ankömmlinge. Sie ging in die Praxis und holte ihren Mann von einem Patienten weg ins Behandlungszimmer.
    »Da kommt gerade ein Verrückter an, Jens …«
    Sie sahen auf die Straße. Der Herr ließ Golfschläger auspacken, ein zusammenklappbares Fahrrad, einen Reitsattel.
    »Wenn er das Pferd auch noch aus dem Kofferraum holt, fall ich um«, flüsterte Karin.
    Der Diener zählte die Koffer. Sie schienen vollzählig auf der Straße zu stehen. Fast militärisch meldete er es dem Herrn. Der nickte, klemmte einen Spazierstock unter den Arm, zog den rechten Handschuh aus, drückte die Vorgartentür auf und schritt forschen Schrittes auf die Haustür zu.
    »Er kommt«, sagt Karin fast ängstlich. »Das ist bestimmt ein Irrtum – oder …« Sie sprach den Gedanken nicht aus, aber sie konnte ihn nicht mehr beiseite schieben. »Oder«, hatte Karin sagen wollen, »jemand, der vorausgeschickt worden ist, dich, Jens, in die Falle zu locken …«
    Dr. Jens Hansen öffnete selbst. Unter dem kleinen Vordach stand der seltsame Herr, der eben die Parade seiner auf der Straße abgestellten Koffer abgenommen hatte, und hielt eine aufgeschlagene Zeitschrift wie eine Legitimation Hansen entgegen. Es war eine Ausgabe der ›Allgemeinen Medizinischen Praxis‹ vom vergangenen Monat. Die Überschrift sprang Hansen ins Auge. Sie war dick mit Rotstift unterstrichen und umrandet worden: ›Über die Möglichkeiten einer Ganzheitstherapie des Karzinoms –‹
    »Sind Sie der, der das geschrieben hat?« fragte der Herr. Über den Rand der vorgestreckten Zeitung starrten zwei hellblaue Augen.
    Dr. Hansen nickte. »Allerdings. Aber ich weiß nicht …«
    »Dann sind wir richtig!« Der Herr wandte sich um, winkte dem Diener und dem Chauffeur und rief: »Das Gepäck ins Haus!«
    »Bitte, wollen Sie mir nicht erklären …?« Hansen stellte sich mitten in die Tür. Er sah, wie Diener und Chauffeur die Koffer auf den Rücken wuchteten, die Golfschläger, den Reitsattel.
    »Sofort!« Der Herr bemerkte

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