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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Selbstdisziplin. Die wenigsten Menschen haben sie.«
    Svensson lächelte schwach. Er sah wieder alt und verfallen aus. »Keine Angst, Doktor … ich enttäusche Sie nicht. Wenn man nichts zu verlieren, aber alles zu gewinnen hat …«
    Auch ein millionenschwerer Reeder aus Dänemark ist – wenn auch Privatpatient des Chefs – nur einer der Tausenden Krebsfälle, die durch die Klinik gehen. Im Prinzip war Svensson für Professor Runkel und seine weit verbreitete Krebsstatistik ein sehr zu überlegender Fall. Nahm man den Reeder auf und er starb in der Klinik, belastete er die Statistik Runkels … schickte man ihn fort, war es ein Verlust für die Privatpraxis.
    Ein Wort Albert Schweitzers erhellt schlagartig die ›Objektivität‹ der heutigen Krebsstatistik. »Den Fetischmännern kommt es nicht vor, daß ihnen Patienten sterben. Aussichtslose Fälle weisen sie von vornherein ab. Sie handeln wie manche Professoren in europäischen Kliniken, die sich ihre Statistiken nicht verderben lassen wollen.«
    Björn Svensson wurde eingehend untersucht. Oberarzt Dr. Färber unternahm alles, um zu einer so exakt wie möglichen Diagnose zu kommen. Die wichtigste Untersuchung, allein schon die Röntgenuntersuchung, ließ jedoch keinen Zweifel mehr offen: Der Magen hatte einen Füllungsdefekt von beachtlicher Größe. Das ausgedehnte Karzinom war deutlich sichtbar. Nach den Erfahrungen mußte es auch bereits weit gestreute Metastasen ausgeschickt haben, die nur noch nicht erkannt waren.
    Nach vier Tagen saßen sich Dr. Färber und Professor Runkel im Chefzimmer gegenüber. Die Röntgenplatten Svenssons leuchteten schwach im Lichtkasten, die Protokolle lagen nebeneinander vor Runkel. Es war still in dem großen Zimmer. Der Tod hörte mit.
    »Sehr, sehr schlecht«, sagte Professor Runkel halblaut. Er sah auf die Röntgenbilder und die Verschattungen. »Das einzige, was wir tun können, ist eine Entlastungsoperation. Ob es danach noch nennenswert hinausgezögert werden kann – wer will das wissen?«
    Was ›es‹ war, wußte jeder. Dr. Färber knipste den Lichtkasten aus. Es war, als lösche er damit das Leben Björn Svenssons.
    »Herr Svensson will sich nicht operieren lassen. Er sagte es gleich bei seiner Einlieferung.«
    Professor Runkels Kopf zuckte hoch. »Was will er dann überhaupt hier?«
    »Gewißheit.«
    »Die hat er jetzt. Sagen Sie es ihm: Inoperabel!«
    »Ich glaube, er hat nichts anderes erwartet. Die dänischen Kollegen haben es ihm nicht verschwiegen.«
    »Aber er wollte es von uns noch mal hören?«
    »Das habe ich ihn auch gefragt. ›Ich will diagnostisch nichts versäumen‹, war seine Antwort.«
    »Na denn.« Runkel erhob sich und schob die Papiere zusammen. Für ihn war der Fall Svensson erledigt. »Vielleicht findet er einen Schäfer in der Heide, der ihn mit Schafmist heilt.«
    Björn Svensson zog in das Zimmer eins der ›Privatklinik‹ Hansen ein. Er wollte es haben, weil es das größte, sonnigste und schönste Zimmer war. Mit einem Blick in den Garten, zum Wald und zu einem Teich, auf dem die Schwäne lautlos segelten.
    »Wie bei uns«, sagte er. »Wissen Sie, wir haben sogar wilde Fischreiher in unserem Park. Wir sollten mal zu uns fahren, Doktor … Später … wenn es möglich ist …«
    Daß in dem Zimmer eins Erna Wottke gestorben war, störte Svensson nicht. »Aberglauben ist das letzte, was Sie bei mir finden werden«, sagte er. »Mir gefällt das Zimmer. Es riecht nach Gesundheit.«
    Den Chauffeur mit dem großen amerikanischen Wagen und seinen Diener hatte er nach Kopenhagen zurückgeschickt.
    »Wir brauchen sie nicht mehr«, hatte Dr. Hansen vieldeutig gesagt. Svensson verstand ihn. Er gab den beiden Angestellten je zweitausend Kronen. Als sie sich bedanken wollten, raunzte er sie an und jagte sie aus dem Haus.
    »Das ist nur, damit ich eure Visagen nicht mehr sehe!« schrie Svensson. Dann stand er am Zaun des Gartens und sah dem Auto nach, wie es über die Landstraße glitt und in einem Schleier von Staub und Dunst untertauchte. Stumm nahm er so Abschied von seinem bisherigen Leben, von seinen Werften, seinen Schiffen, seiner Villa auf der Halbinsel bei Nyköbing, von Glanz und Millionen, Banketten und von Frauen.
    Karin Hansen wartete etwas abseits, bis sich Svensson von der letzten Erinnerung losgerissen hatte und sich abwandte.
    »Ist es schwer?« fragte sie und hakte sich bei Björn unter. Svensson nickte.
    »Es ist furchtbar.« Doch dann straffte er sich. Wie vor zwei Wochen, als er

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