Die Begnadigung
sich doch nicht auch noch lächerlich …«
»Drücken Sie sich ruhig deutlich aus …« Hansen setzte sich und starrte auf die Muster des Teppichs, der unter dem Rauchtisch des Chefzimmers lag. Dr. Färber lief hin und her.
»Ich habe einmal innerlich zu Ihnen gestanden, wissen Sie das? Als Runkel mich zwang, diesen infamen Artikel gegen Sie zu verfassen, da habe ich mir gesagt: Dieser Hansen ist doch der Bewunderung wert. Das ist jetzt vorbei! Jetzt haben Sie einen Gegner, Hansen, der keinen Fußbreit mehr zurückweichen wird. Ich werde Sie mit allen Mitteln bekämpfen. Und ich weiß, wo ich Sie tödlich treffen kann …«
»Sie treffen dabei die Kranken, Herr Färber. Ich habe fünfzig Hoffnungslose im Haus, die hier Kraft zum Weiterleben bekommen oder wenigstens die Kraft, gelassen Abschied zu nehmen …«
»Das haben Sie sich ja wirklich fein ausgedacht: Wer mir was tut, vergreift sich an Todkranken! Daß Sie sich nicht schämen, Herr Hansen, sich hinter Ihren Patienten zu verschanzen! Daß Sie nicht vor sich selber ausspucken!«
»Herr Färber!« Hansen fuhr auf. Er hatte es hingenommen, persönlich beschimpft zu werden. Aber jetzt war Färber einen Schritt zu weit gegangen.
Doch er besann sich, bevor er von seinem Hausrecht Gebrauch machte. »Bitte gehen Sie«, sagte Hansen leise.
»Man müßte Ihnen …« Färber hob die Hand und ließ sie wieder fallen. Brüsk wandte er sich ab und verließ das Zimmer.
Auf dem Flur stieß er fast mit Herta zusammen. Sie schien nicht im geringsten überrascht, ihm hier zu begegnen. Mit Augen, in denen der Wille zum Kampf funkelte, sah sie ihn an. Färber kannte diesen Blick … er war immer gleich. Im Zorn, in der Hingabe, in der Freude, sogar im Schmerz. Herta trug einen weißen Laborantinnen-Kittel. Das Haar hatte sie zurückgekämmt und im Nacken mit einer Spange zusammengerafft. Sie sah jünger aus, als sie war.
Hubert Färber wartete darauf, daß sie das erste Wort sagte. Er wartete umsonst. Hinten auf dem Flur ging eine Tür. Stimmen kamen näher und entfernten sich wieder. Herta schwieg beharrlich, nur ihr Gesicht veränderte sich zusehends.
Da ließ Färber sie wortlos stehen und hastete zum Ausgang, als befürchtete er, sie könne ihn ansprechen.
Herta Färber sah ihrem Mann nach. In seinem Schweigen lag die ganze Verachtung, die sie von ihm erwartet hatte. Aber sie hatte damit gerechnet, ja darauf gehofft, daß er ihr die Verachtung mit heftigen Worten entgegenschleuderte. Dann wäre die Begegnung hier anders verlaufen. Sie hatte sich alle erdenklichen Argumente sorgfältig zurechtgelegt.
Herta rannte ans Fenster am Ende des Flurs und sah ihm nach, bis sein Wagen aus der Auffahrt hinausschoß auf die Straße nach Plön.
Dann ging sie zurück zu Hansens Zimmer. Er schien das Eintreten Hertas nicht bemerkt zu haben. Als sie seine Schläfen streichelte, fuhr er zusammen und hob mit einem Ruck den Kopf.
»Nun ist es vorbei«, sagte sie.
Hansen hörte den Triumph in ihrer Stimme, er schüttelte den Kopf. »Es fängt erst an. Es war falsch, daß du ihn verlassen hast und zu mir gekommen bist. Und noch falscher von mir …«
»Ach!« Ihre Hand zog sich von seiner Schulter zurück. »Hat er dir Angst gemacht, und du bereust jetzt … Willst du mich aufgeben, weil er es will?«
Hansen stand auf und ging zur Tür.
»Jens!« Herta lief hinter ihm her. »Ich habe nur noch dich! Ich habe alles aufgegeben … und ich will dir sagen, warum: Ich bin damals gekommen, um zu spionieren, im Auftrag von Hubert. Das hat er dir wahrscheinlich nicht verraten. Und ich bin geblieben, weil ich spürte, daß du jemanden brauchtest, der am Wendepunkt deines Lebens bei dir ist. Selbst deine Frau hatte dich verlassen. Nur Fremde waren um dich … und du warst so verzweifelt.«
Hansen hielt die Klinke der Tür umklammert. »Ich werde heute nachmittag nach Hamburg fahren, zu Karin.«
»Zu Karin …?« Hertas Stimme schwankte. Zum erstenmal war sie überrumpelt worden.
»Dein Mann hat Karin angerufen und ihr alles erzählt.«
»Das ist doch …«, sagte Herta langsam. Und dann schnell hinterher: »Auch gut. Ein Grund mehr für Karin, mit der Scheidung nicht länger zu warten …«
»Weißt du überhaupt, ob ich in eine Scheidung einwillige?« Er sprach so laut, wie nie in seinem Leben. Was sich an Erregung, Scham, an Reue und Verbitterung aufgespeichert hatte, brach aus ihm hervor. »Ich habe mich nie von Karin trennen wollen! Nie! Und auch du bringst das nicht fertig!«
Er
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