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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Freilegung der Aorta, das Schaffen der riesigen Wunde, das Anschließen des Blutkreislaufes an die Herz-Lungen-Maschine war Aufgabe Färbers. Erst, wenn alles bloß lag, trat der Chef heran und transplantierte seine Teflon-Aorta.
    Die Assistenten standen um den Tisch. Die Instrumentenschwester hatte Skalpell und Schere bereits in der Hand. Färber sah kurz hinüber zu dem Chefinternisten. Die Herzschwingungen auf dem Schirm des Oszilloskops waren der Krankheit entsprechend normal. Auch der Chefanästhesist nickte zu Färber hin.
    Alles klar.
    Ein Blick zur Seite zu den vier Ärzten an der Herz-Lungen-Maschine.
    Alles klar.
    Färbers Hand streckte sich zur Instrumentenschwester. Das Skalpell lag kalt zwischen seinen Fingern.
    Der erste Schnitt, mit kühnem Schwung.
    Professor Runkel starrte auf die Hand Färbers. Nein, sie zitterte nicht. Sie war wie eine gut geölte Maschine, wie die Greifhaken eines Roboters, genau auf einen Millimeter.
    Die großen Scheinwerfer warfen Hitze über die weißen Gestalten. Der Geruch von Blut breitete sich aus. Mit Haken und Klammern zogen die Assistenten den Schnitt auseinander. Färber präparierte in die Tiefe. Mit weitgespreizten Armen stand Runkel hinter ihm. Von der Herz-Lungen-Maschine wurden die Kunststoffschläuche herübergereicht, durch die der Blutkreislauf in wenigen Minuten umgeleitet würde, durch eine künstliche Lunge, gehalten in Körpertemperatur, angereichert mit dem im Blut festgestellten CO 2 -Gehalt, gereinigt in einer Rieselungsanlage.
    Färber arbeitete mit einer Ruhe, die Runkel verblüffte. Welch ein Chirurg ist er doch, dachte er. Bald wird ihm die Welt offenstehen. Nur ein schwacher Mensch ist er, ein labiler Charakter … so hart er am OP-Tisch ist, so weich ist er im Privatleben. Schade …
    Der Aneurysmensack lag bloß. Färber präparierte die Aorta auf zwei Drittel ihrer Länge frei, so wie es Runkel auf dem Röntgenbild eingezeichnet hatte. In einem sterilen, länglichen Glasgefäß lag die neue Aorta, ein gerillter, elastischer, weißer poröser Schlauch aus Teflon.
    Färber begann, den Blutkreislauf an die Herz-Lungen-Maschine anzuschließen. Wieder fing er die stummen Blicke des Chefinternisten und des Chefanästhesisten auf.
    Alles in Ordnung …
    Der Blutkreislauf war angeschlossen. Durch einen kleinen Elektroschock wurde das Herz zum Stillstand gebracht. Auf dem Oszilloskop erloschen die zuckenden Zacken, die den Herzschlag zeigten. Die Patientin war nach herkömmlicher Ansicht tot, das Herz stand still … aber sie lebte weiter durch eine Maschine, die einundeinhalb Meter neben ihrem Kopf die Funktionen ihrer Lunge und ihres Herzens übernahm und das Blut weiter durch den Körper trieb. Ein Wunder der Technik …
    Professor Runkel trat vor und blickte in die Kameras. Der Chef beginnt!
    Dr. Färber räumte seinen Platz und trat an die andere Seite der Patientin. Runkel trat heran, seine bloßen Hände noch immer weggestreckt, und blickte in den geöffneten Thoraxraum. Die OP-Schwester schob das Glasgefäß mit der neuen Teflonaorta über den Tisch und legte es auf die Abdecktücher.
    Die Kameras griffen mit den Objektiven in den Brustraum. Die Hände Runkels. Die künstliche Schlagader. Der über den Körper gebeugte Kopf des großen Chirurgen.
    Eine große Glasschale wurde herangeschoben, vier Zehn-Kubikzentimeter-Spritzen. Runkel tauchte sie in den Wundgrund und sog vierzig Kubikzentimeter Blut heraus. Das Blut spritzte er in das sterile Glasgefäß, nahm die Teflonaorta und tauchte sie einige Sekunden in das Blut. Dadurch legten sich die Blutkörperchen in die Maschen der Prothese und dichteten die Kunststoffwände ab.
    Der große Augenblick war gekommen. Runkel und Färber ergriffen die Prothese mit Pinzetten und hoben sie in den Brustraum hinein. Dort, wo die Anastomose gemacht wurde, war die Aorta doppelt abgebunden. Dort pflanzte Runkel das eine Ende der Teflonader ein. Sicher, schnell, als nähe er nur zwei Schläuche aneinander. Dann nickte er. Die eine Absperrung wurde gelöst. Durch das neue Aortenstück schoß der Blutstrom und trieb die Luftblasen, die sich gebildet hatten, vor sich her und aus der Ader hinaus. Damit war eine drohende Luftembolie ausgeschlossen. Runkel ließ den Blutstrom ein paar Sekunden laufen, um ganz sicher zu gehen. Dann band er die Teflonaorta ab und machte die zweite Anastomose weit oberhalb des Aneurysmas.
    Noch einmal wiederholte sich das Ausstoßen der Luft. Bevor Runkel die letzten Nähte der Anastomose

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