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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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knüpfte, setzte er eine weiche Klemme unterhalb der Verbindungsstelle. Auf einen Blick hin und ein kurzes Nicken wurde der Blutstrom wieder freigegeben … mit einem Strahl schoß es aus der fast vernähten Stelle. Mit einem Sauger sog Färber das Blut sofort weg.
    Runkels Hand flog zur Seite. Neue weiche Klemmen. Abklemmen. Atraumatische Nadel. Die letzten Einzelnähte. Die künstliche Aorta war eingepaßt.
    Die Kameras surrten. Hinter den Suchern hockten die Kameramänner, bleich, mit zusammengebissenen Lippen. Würde die neue Aorta arbeiten? Würde das Herz wieder zu schlagen beginnen … oder filmte man einen Tod auf dem OP-Tisch?
    »Klemmen los …«, sagte Runkel mit seiner hellen Greisenstimme. Färber und die Assistenten lösten die Absperrungen.
    Gebannt starrten sie auf die neue Aorta. Langsam sickerte aus den Maschen der Teflonprothese etwas Blut. Färber tupfte es weg … zwei … drei Minuten lang … es tropfte … es tropfte … an den Kameras zitterten die Fotografen … dann hörte das Durchsickern plötzlich auf. Die Blutkörperchen hatten die Maschen abgeschlossen. Die Kunstaorta war dicht, umgeben von einer feinen Blutschicht. Prall, gefüllt, leise pulsend floß das Blut durch sie hindurch von der Herz-Lungen-Maschine und zurück zu ihr.
    Professor Runkel legte vorsichtig seine bloßen Finger um die neue Aorta. Dann richtete er sich auf. Triumph lag in seinem Blick. Er wandte sich zu der Hauptkamera und sagte ins Mikrophon:
    »Die Transplantierung ist gelungen. Oberarzt Dozent Doktor Färber wird nun die schadhafte Aorta mit dem Aneurysma herauslösen. Das kann jetzt geschehen, als schneide man ein schadhaftes Gummiband durch. In wenigen Minuten wird das Herz wieder schlagen. In vier Wochen kann die Patientin als gesund entlassen werden!«
    Dr. Färber räumte das Aneurysma aus und resezierte die sinnlos gewordene alte Aorta. Das Herz schlug normal, kräftig, gesund. Der Puls surrte durch die Teflonader.
    Runkel drehte sich noch einmal zu Färber um. Vor allen Kameras klopfte er ihm auf die Schulter. Anerkennend, lachend, lobend. Großaufnahme.
    Färber senkte den Kopf. Runkel hebt mich empor. Hansen hat mir die Frau genommen …
    Die Berichte für die Fachblätter waren fertig. Hansen hatte drei Nächte daran geschrieben. Es waren Tatsachen, an denen niemand vorbeigehen konnte: Vier inkurable Krebskranke waren als geheilt entlassen worden. Ihre Tumore und Metastasen hatten sich zurückgebildet. In zwei oder drei Jahren würden sie ganz frei sein, wenn die interne Behandlung zu Hause streng weitergeführt wurde.
    Die Rückkehr Herta Färbers hatte Hansen hingenommen wie ein Naturereignis. Er fragte nicht, wo Herta gewesen war. Sie wollte es ihm erzählen, am Abend, in einer engen Brokathose und durchsichtigen Bluse. »Ich muß arbeiten. Entschuldige bitte!« hatte Hansen gesagt und sich an seinen Arbeitstisch gesetzt …
    Wüllner und Marianne Pechl waren auch bei ihm gewesen. Hand in Hand, wie vom Sandspielen zurückkehrende Kinder, kamen sie in sein Zimmer und sagten wie im einstudierten Sprechchor: »Wir wollen uns verloben, Chef …«
    Hansen hatte sich darüber gefreut. Dr. Wüllner war eine wertvolle Unterstützung geworden. Zwar war er immer noch nicht frei von Zweifeln, aber er war in die Therapie jetzt so eingearbeitet, daß Hansen mit dem Gedanken spielte, Wüllner zum Oberarzt zu machen. Über siebzig Angestellte sorgten jetzt für die Patienten. Die Klinik war voll belegt. Und in den Mappen stapelten sich die Anmeldungen aus der ganzen Welt.
    Herta Färber schaltete um. Sie zog sich zurück, sie dämpfte ihre Aggressivität … sie wurde ganz still, saß stumm in der Couchecke, während Hansen arbeitete, brachte ihm mit Mineralwasser vermischten Wein und kam sich wie ein beschenktes Kind vor, als Hansen ihr die durchgearbeiteten Artikel gab und sagte: »Schreib sie bitte ab … mit vier Durchschlägen …«
    Einen Tag und eine ganze Nacht saß Herta Färber darauf an der Schreibmaschine und schrieb die Artikel ins reine. Ihre Müdigkeit bezwang sie mit einer bewundernswerten Energie. Als sie die fertigen Artikel vor Hansen hinlegte und ihn dabei küßte, wehrte er sich nicht, sondern streichelte ihr das schmale Gesicht …
    Die Berichte erschienen in den medizinischen Blättern. Sie fanden ein sensationelles Echo. Bei Professor Runkel schellte das Telefon unaufhörlich. Freunde riefen an, Ordinarien anderer Universitäten, Pathologen, Gynäkologen, Strahlentherapeuten. Die Aufregung

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