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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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getragen.
    »Wo ist der Chef?« fragte Herta Färber.
    »In seinem Zimmer. Er hat aber den Schlüssel 'rumgedreht. Ich würde nicht wieder klopfen und so'n Theater machen. Ist nicht gut vor den Patienten …«
    Herta Färber warf den Kopf in den Nacken. »Ihr haßt mich wohl, was?« sagte sie leise. »Ihr alle haßt mich, nicht wahr? Ich spüre es …«
    »Frauen sollten sich immer auf ihr Gefühl verlassen«, sagte Wottke, nahm seinen Besen und drehte Herta kehrend den Rücken.
    Sie blieb einen Augenblick stehen, zutiefst betroffen, bleich, starr. Dann drehte sie sich schroff um und ging in ihr Zimmer.
    Eine Stunde später schoß ihr Wagen aus der Klinik hinaus zur Chaussee. Niemand beachtete es. Nur Hansen stand am Fenster und sah ihr nach …
    Verwundert blieb Dr. Hubert Färber in der Diele seines Bungalows stehen. Schon beim Aufschließen der Haustür hatte er die Radiomusik aus dem großen Wohnzimmer gehört. Er konnte sich nicht erinnern, am Morgen vergessen zu haben, das Radio abzustellen.
    Er warf seinen leichten Sommerhut auf den Garderobenhaken, strich sich im runden Dielenspiegel die Haare zurecht und ging ins Zimmer, um den Apparat leiser zu drehen.
    Im Sessel, am großen Fenster zum Garten, saß Herta und legte ein Magazin auf den Tisch, als er eintrat. Färber mußte sich am Türrahmen stützen.
    »Du? Wie kommst du hier herein?«
    »Du wirst staunen: ich habe noch einen Schlüssel …« Sie musterte ihn mit den Augen einer abschätzenden Auktionatorin. Hubert Färber sah gepflegt wie immer aus. Hellgrauer Anzug, Seidenhemd, einfarbiger Schlips, leichte Sommerschuhe, korrekter Haarsitz … ein Mann aus dem Modejournal. Nur seine Augen waren anders geworden, und seine Wangen zeigten Ansätze von Aufgedunsenheit.
    »Einen Schlüssel. Ach ja. Leg ihn auf den Tisch und verschwinde wieder …«
    »Du freust dich nicht, daß ich hier bin?«
    »Das wäre wohl etwas zuviel verlangt.«
    »Nicht einmal erstaunt bist du?«
    »Man kann es eher peinlich berührt nennen! Was willst du?!« Färber ging zum Wandschrank. Der Griff zur Kognakflasche war so gewohnt und selbstverständlich, daß er sie aus dem Schrank nahm und sich ein Glas eingoß, ohne hinzusehen. Er betrachtete Herta währenddessen. Sie war elegant und kühl wie immer. Von einer teuflischen Überlegenheit, die jeden unsicher machte, der ihr begegnete. Ihre langen Beine hatte sie übereinandergeschlagen.
    Dr. Färber kippte das Glas Kognak hinunter. Seine Hand zitterte dabei leicht.
    »Ich glaube, wir haben uns nichts mehr zu sagen. Dein Verhalten …« Er goß sich wieder das Glas voll. Warum ist sie gekommen, dachte er. Ich habe diese Frau geliebt, keiner kann es leugnen. Ich habe sie angebetet … ich weiß bis heute noch nicht, warum sie gegangen ist!
    »Wir haben uns nichts mehr zu sagen.« Wieder ein Glas Kognak. Er sah auf die Uhr. Ein Uhr mittags. Wenn es so weiter ging, würde er um fünfzehn Uhr wieder – wie häufig in letzter Zeit – betrunken sein, und die Abendvisite vom 2. Oberarzt machen lassen. »In eine Scheidung willige ich nicht ein, das weißt du!«
    »Lassen wir das Private, Hubert!« Färber zuckte zusammen, als Herta ihn bei seinem Vornamen nannte. »Ich bin rein geschäftlich hier.«
    »Geschäftlich?«
    »Heute sind aus der ›See-Klinik‹ vier Patienten als geheilt entlassen worden! Nach neunmonatiger Behandlung mit Hansens biologischer Therapie!«
    Dr. Färber stellte mit einem lauten Schlag die Kognakflasche auf den Schreibtisch.
    »Unsinn …«, sagte er.
    »Eben nicht!« sagte sie. »Und ich bitte dich um weiter nichts, daß du dich nach diesen Erfolgen als Arzt damit befaßt. Du bist Dozent geworden … ich gratuliere dir. Bald wirst du eine Professur haben, und wie ich dich kenne, wirst du eines Tages Ordinarius für Chirurgie an einer Universität sein. Du hast einen klaren, kritischen Verstand, du gehörst nicht zu der Generation der großen Ärzte, die alles Neue erst einmal als Dummheit abtun, bis sie durch Erfolgsserien langsam und widerwillig überzeugt werden. Du bist ein moderner Mensch, Hubert, und du weißt sehr genau, daß die Chirurgie und die Strahlenbehandlung allein nicht den Krebs besiegen können! Hubert – ich bitte dich, vergiß alles Persönliche, denk nur an die Millionen Krebskranken, die Jahr für Jahr sterben … Stell dich vor Hansen! Prüfe, kritisiere und erkenne an … Nimm Stellung, Hubert! Die Hoffnung der Krebskranken ist die neue Ärztegeneration.«
    Dr. Färber war blaß geworden.

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