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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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floß. »Der Runkel kann wirklich etwas …«
    »Das hat niemand bestritten.« Dr. Hansen strich sich über die Stirn. »Runkel ist ein chirurgisches Genie. Da gibt es gar keinen Zweifel.«
    Dann kamen die Worte Runkels, die sie alle hier wie Faustschläge trafen …
    Während der Blutkreislauf wieder zum Herzen geleitet wurde, während die Internisten auf den Oszilloskopen starrten, um bei auftretendem Herzflimmern sofort eingreifen zu können, während auf der Scheibe wieder die elektrischen Zacken hochsprangen und das Leben in das Herz zurückkehrte, sagte Runkel mit heller Stimme:
    »Dies ist nur eine kleine Demonstration dessen, was die Chirurgie heute vermag. Auf vielen anderen Gebieten leistet sie ebensoviel, wenn nicht mehr. Auch beim Krebs liegt die alleinige Heilchance bei Chirurgie und Strahlentherapie. Man sollte wirklich einmal in aller Schärfe gegen alle Quacksalber und Scharlatane vorgehen, die mit Kräutern, Pillen und Tief luftholen einen Krebs heilen wollen! Man sollte sie einfach auslachen, mehr sind sie nicht wert! Leider aber fallen auch heute noch breiteste Volksschichten auf solche Pseudo-Wissenschaftler herein und versäumen die einzige Chance der Rettung: die Operation!«
    Peinliche Stille lag im Chefzimmer, als Marianne Pechl mit zuckenden Lippen aufstand und den Apparat abstellte. Was sollte der an dieser Stelle völlig unmotivierte und deplazierte Ausfall Runkels. Herta Färber rang die Hände.
    Dr. Hansen erhob sich. Er knöpfte seinen Kittel zu und sah auf seine Armbanduhr.
    »Zimmer 12, 25 und 57 müssen noch ihr Säurebad bekommen. Zimmer 61 und 70 werden noch einmal schichtweise geröntgt. Gehen wir an die Arbeit …«
    Stumm verließen die Ärzte und Schwestern das Chefzimmer. Nur Herta Färber blieb zurück. Wie vergessen sah sie am Rande der hintersten Stuhlreihe aus. Hansen drehte sich nach ihr um.
    »Dein Mann hat eine große Zukunft …«
    »Er ist ein Feigling!«
    »Er ist ein anerkannter Mediziner … kein Scharlatan …«
    »Jens!« Herta Färber sprang auf. »Was Runkel eben sagte, war … war gemein. Einfach gemein! Daß Hubert es duldete …«
    »Er ist nur der Oberarzt. Runkel ist das Trittbrett seiner Karriere. Kannst du das nicht verstehen …«
    »Nein! Du würdest es nie tun! Nie! Auch darum liebe ich dich …« Sie schluckte. Ihr schmales Gesicht hatte hellrote Flecken. »Selbst wenn du wirklich nur ein Scharlatan wärst, würde ich dich nicht weniger …«
    Müde wandte sich Hansen ab und verließ das Zimmer.
    Herta Färber ballte die Fäuste und schlug sich gegen die Schläfen. Was hatte sie wieder falsch gemacht? Was bloß? Wie soll ich ihm denn sagen, wie ich ihn liebe!
    Lisbeth Burker war gebessert. Konnte sie als die fünfte Heilung angesehen werden? Ein sechster Fall – ein zwanzigjähriges Mädchen mit einer Lymphogranulomatose – machte Fortschritte. Sie war in hoffnungslosem Zustand in die Klinik gekommen. Als Dr. Wüllner sie untersucht hatte, wunderte er sich, daß Hansen sie überhaupt aufgenommen hatte.
    »Er überschätzt sich«, hatte er zu Marianne Pechl gesagt. »So ganz dusselig bin ich doch nicht, um nicht zu sehen, daß hier die ärztliche Kunst zu Ende ist.« Jetzt schwieg er, wenn Marianne ihn darauf ansprach …
    Lisbeth Burker machte jetzt schon lange Ausflüge, segelte auf dem Plöner See, hatte fünfzehn Pfund zugenommen und mit Franz Wottke, der ihr Vertrauter geworden war, den Plan ausgebrütet, für immer als Hausschneiderin in der See-Klinik zu bleiben. Wottke hätte das sehr gern gesehen, denn Lisbeth Burker hatte ihr Herz an Wottkes sechs Kinder verloren. Die Kinder spürten es, auch sie suchten die Mutter.
    »Wäre schön, wenn Sie hierblieben«, sagte Wottke. Er kochte dabei Kaffee.
    Wottke sah bei seiner Küchentätigkeit aus den Augenwinkeln auf Lisbeth Burker. Der kleinste der Wottkes saß auf ihren Knien und blies in ein Blechsaxophon.
    Nett sieht sie aus, dachte Wottke. Wie Erna. Über ein Jahr ist es nun schon her, seit Erna … da denkt man lange, das Leben ist vorbei … auf einmal fängt es wieder an …
    Nur die Sache mit dem Krebs … Hatte ihn das Schicksal dazu verurteilt, das alles noch einmal mitzumachen?
    Er nahm sich vor, bei nächster Gelegenheit mit Dr. Hansen darüber zu sprechen. Wenn der Chef sagte, daß Lisbeth gesund würde, glaubte er es. Der Chef würde ihn nicht anlügen. Und wenn er es sagte … am meisten würden sich die Kinder freuen. Bestimmt! Wie die sich freuen würden!
    Und natürlich Franz

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