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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mir..«
    »Hältst du mich für einen Sadisten? Karin ist mit ihrem jetzigen Leben glücklich. Soll ich sie da herausreißen?«
    »Ich glaube nicht, daß sie glücklich ist. Sie liebt mich noch immer … ich weiß es …«
    »Liest du eigentlich viel in alten Gartenlaube-Heften? Genau so klingt es! Karin denkt nicht mehr an dich. Finde dich damit ab.«
    »Ich bitte dich, versuche trotzdem ein Zusammentreffen zwischen uns zu arrangieren. Ich bitte dich. Ich muß mit Karin einmal allein sprechen. Über alles. Nach einem Jahr sieht doch alles anders aus.«
    »Du änderst dich nie, Jens! Und ich lehne es ab, mich für dich zu verwenden! Tschüß, und schlaf schön …«
    Rechtsanwalt Kieling hatte aufgelegt. Langsam ließ Dr. Hansen den Hörer sinken. Im Verteilerkasten klickte es hell. Verbindung aus …
    Aus dem großen Saal hörte er die Stimmen der Kranken bis zu sich dringen. Das Konzert war zu Ende. Sie hatten nicht geklatscht. Minutenlang hatten sie ergriffen, stumm gesessen, ehe sie in den alltäglichen Abend zurückfanden und die Oberschwester schließlich prosaisch in die Versammlung rief: »Die Herrschaften für die Reizbäder bitte kommen …«
    Ich fahre zu Karin, dachte Hansen. Morgen oder übermorgen. Ich werde einfach da sein, vor der Tür stehen und klingeln. Und sie wird mir die Türe nicht vor der Nase zuschlagen …
    Die Fahrt zu Karin mußte Dr. Hansen verschieben.
    Mariannes Zustand verschlechterte sich plötzlich. Eines Morgens konnte sie nicht mehr aufstehen. Sie wollte es nicht glauben, sie biß die Zähne zusammen und spannte die Muskeln an … aber die Beine bewegten sich nicht. Nur ein wahnsinniger Schmerz durchzuckte die Wirbelsäule und schien vom Nackenwirbel aus den ganzen Kopf auseinanderzusprengen.
    Sie läutete nicht um Hilfe. Schwer atmend lag sie auf dem Rücken und starrte an die weiße Decke. Da sind sie, die Rückenmark-Metastasen, dachte sie mit einer Ruhe, die ihr selbst unheimlich war. So stand es also mit ihr. Es war jetzt alles ganz klar: Plötzliche Lähmungserscheinungen in beiden Beinen. Bei großer Anstrengung Schmerzen über die ganze Wirbelsäule. Sonstige Reflexe normal. Milz und Leber noch nicht geschwollen. Auch starker Druck auf Thoraxwand erzeugt noch keine Schmerzen. Denkfähigkeit nicht beeinträchtigt, auch nicht die Sinnesempfindung. Noch nicht.
    Dr. Wüllner kam, um nach ihr zu sehen. Die Schwester von Station III hatte angerufen, daß mit Fräulein Doktor offenbar etwas sei. Dr. Summring hatte die Morgenvisite übernommen.
    »Fühlst du dich nicht wohl, Marianne?« fragte Wüllner besorgt und setzte sich an den Bettrand. »Der Chef kommt auch gleich.«
    »Warum denn dieser Rummel?« Sie lächelte mit aller Tapferkeit, die sie sich vorgenommen hatte, bis zuletzt zu bewahren. »Es ist doch nichts Unbekanntes.«
    »Hast du Schmerzen? Im Kopf?«
    »Nein, nicht mehr … Nur …«
    »Was – nur?«
    »Ich kann die Beine nicht mehr bewegen …«
    Dr. Wüllner wartete nicht lange. Er beugte sich über das Bett, und ehe es Marianne verhindern konnte, hatte er Alarm geläutet. Es läutete nicht nur auf der Wachstation, sondern auch im Zimmer Dr. Hansens.
    Marianne sah Wüllner aus großen Augen an. Sie bemerkte seine Verzweiflung, die er vor ihr verbergen wollte. Als er sich nach dem Klingeln aufrichten wollte, hielt sie ihn fest, schlang die Arme um seinen Nacken und zog ihn zu sich hinab.
    »Warum willst du mich heiraten, Fritz?« fragte sie leise an seinem Ohr. »Es ist doch sinnlos …«
    »Wir wollen nicht mehr darüber sprechen! Die Papiere kommen in der nächsten Woche.«
    »Sei doch vernünftig, Fritz.«
    »Ich will davon nichts hören!« schrie Wüllner. »Ich liebe dich … das ist das einzige, was ich weiß!«
    »Nicht so laut, Wüllner!« Dr. Hansen war in diesem Augenblick ins Zimmer getreten. »Ich schätze, bei diesem Gespräch bin ich überflüssig …«
    »Marianne kann nicht mehr aufstehen«, sagte Wüllner.
    Hansen trat mit raschen Schritten an Mariannes Bett.
    »Es kam ganz plötzlich …«, sagte sie und stützte sich auf den Ellbogen auf. »Jetzt haben wir die Knochenmetastasen.«
    Hansen schwieg, während er Marianne untersuchte. Wüllner telefonierte mit der Röntgenschwester. Stück für Stück des Körpers wollte man aufnehmen, die Verstecke des gnadenlosen Feindes aufspüren. Wenn es möglich war, die ausgestreuten Tochtergeschwülste zu bekämpfen, konnte man Marianne das Leben verlängern … nur verlängern, nicht mehr …
    Die Kranken, die

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