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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ohnmächtige Marianne Pechl auf einer Trage liegend ein und kletterte mit in den Wagen …
    Hundert Augen starrten ungläubig durch die Fenster. War das je vorgekommen, daß ein schwerkranker Patient fortgebracht wurde? Wottke raufte sich die Haare und rannte Lisbeth entgegen, die aus dem Ärztehaus kam. »Wenn das der Chef wüßte!« brüllte er. »Der Wüllner ist verrückt geworden! Warum hält ihn denn keiner zurück?«
    »Wer sollte das denn? Tu du es doch …« Lisbeth hob die schmalen Schultern. »Außerdem – wer könnte denn hier noch helfen …?«
    »Aber die anderen Kranken … Sie bekommen doch einen Schock, wenn der Erste Klinikarzt seine Braut wegnimmt! Das ist doch völlig unmöglich!«
    Als sie auf die Hauptstraße einbogen, wollte der Fahrer von Wüllner wissen, wohin der Transport ginge.
    »Zur Universitätsklinik …«
    »Wohin?« Der Fahrer starrte Wüllner ungläubig an.
    »Zu Professor Runkel, Sie Idiot! Fahren Sie doch!«
    »Aber …«
    »Fahren Sie!« schrie Wüllner. »Oder ich werfe sie 'raus und fahre allein …«
    Fast gleichzeitig erschienen Dr. Adenberg und Dr. Reitmayer am Kliniktor, um ihren Kollegen Wüllner zurückzuhalten. Die Stationsschwester hatte sie alarmiert und von den Kranken weggeholt. Sie kamen eine Minute zu spät. Der Wagen war schon nicht mehr zu sehen.
    »Wir müssen sofort den Chef verständigen«, sagte Dr. Summring, der über den Flur zum Ausgang gestürzt kam. »Der Fritz hat total die Nerven verloren. Wo will er denn mit Marianne hin?«
    »Na, wohin schon …« Dr. Reitmayer wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Wir können das dem Chef gar nicht nach Versailles melden! Und im Augenblick ändern kann er es auch nicht!«
    »Wir müssen sofort die Universitätsklinik anrufen!« Dr. Adenberg wollte zurück ins Haus, aber Summring hielt ihn fest.
    »Das ist doch sinnlos!«
    »Sie müssen Wüllner zurückschicken!«
    »Die?« Dr. Summring lachte gequält. »Die werden sich freuen! Das ist ein Sonntag für sie …«
    Der Krankenwagen raste über die Chaussee. Er hüpfte über Schlaglöcher, er schnitt die Kurven, er heulte um die Ecken.
    Kurz vor der Stadt wachte Marianne aus ihrer Ohnmacht auf. Verwundert sah sie sich um. Der wahnsinnige Schmerz war verflogen. Sie wollte sich aufrichten, aber sie war mit den Decken zusammen auf der Trage festgeschnallt.
    Da versuchte sie, an die Scheibe zu klopfen, die den Transportraum vom Fahrerhaus trennte. Der Fahrer deutete mit dem Kopf nach hinten.
    »Sie will was …«, sagte er zu Dr. Wüllner.
    Wüllner starrte mit kantigem Gesicht geradeaus auf die Straße. »Fahren Sie weiter!« sagte er hart. »Achten Sie nicht darauf.«
    Nach einer Weile tastete ihre Hand wieder nach der Scheibe. Sie schien etwas zu rufen. Das Motorengeräusch übertönte aber ihre Stimme.
    »Fahren Sie!« schrie Wüllner, als der Fahrer unwillkürlich die Geschwindigkeit drosselte.
    Mit zuckendem Blaulicht auf dem Dach raste der Krankenwagen der Universitätsklinik entgegen.
    Dr. Färber hatte es sich gemütlich gemacht.
    Er saß im Wintergarten, hatte eine Flasche Spätlese aus dem Keller geholt, Herta hatte ein kaltes Huhn tranchiert, und es sollte besonders schön werden durch ein Opernkonzert, das das Fernsehen übertrug.
    In diesem Augenblick, in die Ouvertüre hinein, läutete das Telefon. Herta hob ab und hielt nach kurzem Lauschen den Hörer zu Färber hin.
    »Die Klinik, Hubert … Muß etwas ganz Eiliges sein. Der Alte ist selbst am Apparat …«
    »Runkel?« Färber schnellte aus seinem Sessel. »Um diese Zeit?! Das muß ein ganz dicker Hund sein …«
    Er nahm den Hörer. »Herr Professor …«
    Während Runkel sprach, brachte Herta ein Stück der kalten Hühnerbrust und steckte es Färber in den Mund. Er kaute hastig und zog dabei die Stirn in vorwurfsvolle Falten. Herta amüsierte es maßlos.
    »Ja …«, er schluckte hinunter, »… ich komme sofort … Eine Überraschung für mich? Sie machen mich neugierig, Herr Professor. Jaja … ich bin bereit. Wie bitte? Hansen? Ist – soviel ich gelesen habe – in Versailles zu einer Tagung der französischen Internisten. Sie haben Hansen jetzt in der Hand? Wie bitte, Herr Professor … Ja, selbstverständlich.«
    Er legte den Hörer hin und sah Herta mit einem nachdenklichen Blick an. Sie hatte den Teller mit dem kalten Huhn abgesetzt. In ihren Augen schrie eine brennende Frage. Färber hob die Arme und ließ sie wieder fallen.
    »Der Chef ruft mich. Irgend etwas, was mit Hansen

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