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Die Behandlung: Roman (German Edition)

Die Behandlung: Roman (German Edition)

Titel: Die Behandlung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Danni so schlecht gelaunt war. Souness marschierte wie eine Dampfwalze durch das mit Schreibtischen voll gestellte Großraumbüro, inspizierte die Berichte der Beamten und bellte Befehle. Dabei wartete im Frederick’s bereits seit zwanzig Minuten ein reservierter Tisch auf die beiden Damen. Als Paulina schließlich kapierte, dass sie Danni durch ihre wütenden Blicke nicht weiter beeindrucken konnte, ging sie nach nebenan und setzte sich in Cafferys leeren Stuhl. Sie saß mit gesenktem Kopf da, schob mit dem Zeigefinger die Nagelhäute an den Fingern der anderen Hand zurück und fuhr zwischendurch auf Cafferys Stuhl eine Runde Karussel.
    Zwanzig Minuten später kam Souness herein. »Tut mir Leid, Süße.« Sie stand hinter Cafferys Stuhl und beugte sich zu Paulina hinab, um ihr einen Kuß auf den Kopf zu hauchen. »Tut mir wirklich Leid.«
    Paulina blickte auf. »Dann wird es also heute Abend nichts mehr mit dem Essen?«
    »Unser Hauptverdächtiger ist gerade auf der Intensivstation gelandet. Ich lade dich morgen ein – okay?«
    »Hm.« Paulina zuckte die Schultern. »Unwahrscheinlich, dass wir im Frederick’s diese Woche noch einen Tisch bekommen. Aber was soll’s …«
    Souness realisierte kaum, wie ungewöhnlich glimpflich sie davongekommen war, denn sie wusste eines nicht: Paulina wäre gewiss aufgebrachter gewesen, hätte sie nicht zufällig auf Jack Cafferys Schreibtisch einen Schmierzettel mit einer hingekritzelten Zeichung entdeckt. Und diese Zeichnung hatte sofort ihr Interesse geweckt.

22. KAPITEL
     
    (25. Juli)
    Als Roland Klare in dem kleinen Schrank im Schlafzimmer die Dunkelkammer fertig eingerichtet hatte, schloss er die Tür, versiegelte sie mit Klebeband, schaltete die rote Glühbirne ein und machte es sich bequem: Er setzte sich auf einen Hocker, legte sich den Sack mit der Filmrolle auf die Knie und schaute in das Buch, das er aufgeschlagen vor sich an den Fuß des Vergrößerungsapparates gelehnt hatte.
    Auf der Fotografie in dem Buch war eine Frauenhand zu sehen, die mit einem Spezialwerkzeug den Deckel der Rolle öffnete. Klares Geld hatte für dieses Werkzeug zwar nicht mehr gereicht, »Sie können dazu aber ebenso gut einen Flaschenöffner verwenden«, hatte der Verkäufer in dem Laden gesagt und ihn skeptisch gemustert. Und der Mann hatte Recht – denn tatsächlich ließ sich der Deckel mit dem Flaschenöffner mühelos öffnen. Der nächste Schritt bestand nun darin, den Film in den kleinen Plastikentwicklungsbehälter zu transferieren.
    Klare holte den Flaschenöffner aus dem Sack, ließ ihn zu Boden fallen, befeuchtete seinen Daumen und schlug in dem Buch die Seiten auf, auf denen der nächste Schritt dokumentiert war. Er beugte sich ein wenig vor und las, die Zunge zwischen den Zähnen, sorgfältig die Anweisungen. Dann schnitt er mit der rechten Hand den »Einfädelschwanz« ab und schob anschließend den Entwicklungsbehälter in den Sack. Er entfernte die Gummibänder von den Jackenärmeln, öffnete den Behälter und konnte den Film schließlich nach einigem Gefummel in der Mitte in den Spulenschlitz schieben. Nun drückte er auf den Knopf, der den Film auf der Spule fixierte, verschloss den Behälter, sodass der Film völlig lichtgeschützt war, und zog sie aus der Jacke ans Licht.
    »Endlich!« Er stand auf, stellte den Behälter auf den Tisch und ging ins Wohnzimmer hinüber, um das Kodak-D76-Pulver anzumischen.
     
    Smurf lag fiebernd da und schnarchte. Auf dem Notverband an ihrem verletzten Bein krabbelten zahlreiche Schmeißfliegen umher. Wo die wohl alle herkommen?, überlegte Benedicte. Anscheinend aus dem Nichts: Wie durch ein Wunder waren die kleinen Insekten aus den Wänden, dem Teppichboden, den Vorhängen zum Vorschein gekommen. Wenn der Hund zwischendrin einmal kurz zu schnarchen aufhörte, bemerkte Benedicte, wie still es unten im Haus war: kein Geräusch, kein Stimmengemurmel – nichts, nur das Brummen der Fliegen. Ansonsten registrierte sie nur, wie die Temperatur je nach Tageszeit schwankte.
    Trotzdem war irgendetwas anders als vorher. Benedicte hätte zwar nicht zu sagen vermocht, was – es war nur so ein Gefühl. Der Troll war nämlich am Vorabend nicht zurückgekommen. Sie wagte nicht, sich auszumalen, was das für Josh bedeuten mochte.
    Sieht ganz so aus, als ob wütende Verzweiflung im Gehirn eine chemische Reaktion auslöst, dachte sie irgendwann, als sie wie aus heiterem Himmel einen neuen Energieschub verspürte. Eine fast unnatürliche Ruhe und

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