Die Behandlung: Roman (German Edition)
stolz auf ihre Leistung. »Dauert nicht mehr lange.«
Nun richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Bodendielen. Am Rand eines Brettes entdeckte sie ein kleines Astloch. Vielleicht ließ sich die Öffnung ja so weit vergrößern, dass sie die Finger hineinschieben konnte. Und sollte das nicht funktionieren, hatte sie sich eine Alternative überlegt: In dem Fall wollte sie nämlich mit der Nagelleiste ihr Bein durchsägen. Die Vorstellung erweckte in ihr nicht mal besonderen Widerwillen. Auf dem Revier war der Teufel los. Die Beamten waren hochmotiviert. Seit man eine handfeste Spur hatte, waren alle ganz wild darauf, endlich richtig loszulegen. Caffery war kurz nach Hause gefahren, um zu duschen und sich umzuziehen – konnte allerdings keinen Hinweis darauf entdecken, dass Rebecca da gewesen war. Immerhin hatte die Dusche seine Lebensgeister neu geweckt, und er war fest entschlossen, abermals mit Peach zu sprechen und dazu alle Hebel in Bewegung zu setzen. Wenn dieser Dr. Friendship nicht auf ihn hören wollte, dann konnte Souness vielleicht etwas erreichen.
Als er auf dem Revier eintraf, klingelte gerade Kryotos’ Telefon. Sie nahm ab und lauschte einige Sekunden. »Okay.« Sie klemmte sich den Hörer zwischen Schulter und Ohr, legte beide Hände auf den Schreibtisch und starrte auf einen Stapel Formulare, während sie weiter zuhörte. Caffery trat an ihren Schreibtisch, blieb neben ihr stehen und beobachtete ihr Gesicht. »Für Sie«, sagte sie schließlich.
»Okay. Ich geh in mein Büro.«
Sie stellte den Anruf durch. In seinem Büro nickte er Souness zu und nahm den Hörer ab.
»Caffery.«
»Jack«, sagte Fiona Quinn atemlos, »ich wollte, dass Sie es als Erster erfahren. Die DNS ist zurückgekommen.«
»Jesus.« Er machte die Tür zu und rückte mit pochendem Herzen auf seinem Stuhl näher an den Schreibtisch. »Und?«
»Wir haben ein komplettes männliches Profil. Vollständig . Absolut über jeden Zweifel erhaben.«
Caffery schnipste aufgeregt mit den Fingern, um Souness’ Aufmerksamkeit zu erregen. Sie blickte überrascht auf. »Was?«
»DNS«, flüsterte er mit der Hand auf der Muschel.
Sie rollte auf ihrem Stuhl zu seinem Schreibtisch hinüber und saß dann ganz nahe neben ihm und versuchte, dem Gespräch zu folgen. Fast hätte sie ihm den Hörer aus der Hand gerissen.
»Und wie lautet das Ergebnis, Fiona?«
»Sie werden es nicht glauben.«
»Vielleicht doch. Versuchen Sie es einfach mal.«
Der Himmel über dem Brockwell Park war strahlend blau, nur am äußersten Rand des Blickfeldes hingen ein paar Wolken, als ob sie – von ihrem Gewicht niedergedrückt – bis zum Horizont hinabgesunken wären. Roland Klare hätte den Himmel durch sein Fenster zwar sehen können, doch im Augenblick interessierte ihn nicht, was am Firmament geschah: Er hatte sich in das rot beleuchtete Kämmerchen weiter hinten in der Wohnung zurückgezogen. Wieder einmal hatte er die Zunge zwischen die Zähne geschoben, während er die Negative zerschnitt und das Erste in den Vergrößerer legte.
Er wusste, dass es bald so weit sein würde, und musste sich zwingen, nicht nervös mit dem Knie zu zucken, als er jetzt den Lampenkopf auf- und abwärts drehte, um das Bild passgenau auf das Fotopapier zu projizieren. Er stellte die Schärfe ein, schaltete die rote Glühbirne aus und das weiße Licht des Vergrößerers an. Auf dem Fotopapier erschien ein weißes Lichtdreieck, das sich scharf von der dunklen Umgebung abhob – genau wie es in dem Buch abgebildet war. Die Belichtungsschaltuhr funktionierte zwar nicht, aber Klare wusste sich zu helfen – er hatte irgendwo gelesen, dass die Dauer des Wortes »Fotografie« einer Sekunde entspricht. Daher setzte er sich, die Hände zwischen den Knien, auf den Hocker, starrte auf das Papier und zählte laut: »Eine Fotografie, zwei Fotografien, drei Fotografien.« Als zwanzig Sekunden verstrichen waren, knipste er die Vergrößerungsbeleuchtung wieder aus und trug das Fotopapier im Licht der roten Notbeleuchtung zu der Schale hinüber, in der er bereits die Entwicklerlösung vorbereitet hatte. Er beugte sich über das flache Gefäß, zog das Papier mehrmals durch die Flüssigkeit – wobei er im Kopf die Sekunden zählte – und starrte auf das Bild, das sich wie durch Magie allmählich auf dem Papier abzeichnete.
»Hundertundzwei Fotografien, hundertunddrei Fotografien, hundertund …« Er hörte auf zu zählen. Das Bild nahm auf dem Papier immer deutlicher Gestalt an.
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