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Die Behandlung: Roman (German Edition)

Die Behandlung: Roman (German Edition)

Titel: Die Behandlung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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vorsichtig. Hal bäumte sich auf, bekam kaum Luft und trank dann gierig von dem Wasser. Benedicte sah ungeduldig zu und unterdrückte den Impuls, Josh zur Eile zu drängen. Der Junge hockte fachkundig wie ein Krankenpfleger neben seinem Vater, strich ihm mit der Hand über die Stirn und goss noch mehr Wasser in seinen Mund. »Du kommst gleich dran, Mami«, sagte er.
    »Schon gut, Liebling – aber zuerst musst du die Tür aufmachen, bitte – die Tür. Vielleicht ist ja jemand draußen, der uns helfen kann.«
    »Ja, gut.« Er stellte das Glas auf den Boden, stand dann unsicher auf, blickte zu Hal hinunter, der wild mit dem Kopf wackelte und stumm die Lippen bewegte. Josh stützte sich mit den Händen an den Küchenschränken ab und torkelte in den Gang hinaus Richtung Tür. Benedicte sah jetzt nur noch seine Füße und sein Spiegelbild auf dem Parkett. Armer kleiner Junge. Er stellte sich auf die Zehenspitzen, drehte mit ausgestrecktem Arm den Riegel um und öffnete die Haustür.
    Sie schob den Kopf, so weit es ging, durch die Decke und registrierte wie eine Überwachungskamera die Vorgänge unten im Haus. Im Eingangsbereich blieb es mehrere Minuten lang absolut still. Sie stellte sich vor, dass er einfach aus der Tür in den Sommertag hinausgetreten war und vielleicht die Amseln beobachtete, die auf dem Weg zum Park durch die Luft flatterten.
    Dann fiel die Tür wieder ins Schloss, und sie sah, wie das Spiegelbild näher kam: eine große Gestalt mit dichtem dunklem Haar und daneben ihr Sohn, der in das Zimmer zurückgeführt wurde – wie ein kleiner Junge, der mit seinem älteren Bruder durch einen Supermarkt schlendert. Nur dass Josh leise schluchzte.
    Sie hätte die Decke durchbrechen, ihr eigenes Bein opfern sollen, um zu verhindern, dass jemand Josh etwas antat. Trotzdem zog sie – wie ein Kind wimmernd – instinktiv den Kopf zurück und zugleich den Zylinder, mit dem sie das Loch in der Decke wieder verschloss. Ein brennender Schmerz schoss durch ihr Bein, doch sie gab nicht einen Ton von sich.
    Ja, sie kannte die Gestalt dort unten – sie wusste genau, wer das Monster war. Und jetzt ergab plötzlich alles einen Sinn.
     
    Caffery stellte den Wagen auf dem Parkplatz ab, vergaß, einen Parkschein zu lösen, und eilte in das Gebäude. Zwei Stufen auf einmal nehmend, rannte er die Treppe hinauf, und das Quietschen seiner Schuhe auf dem blanken Linoleum sorgte für allgemeines Aufsehen.
    Als er fast am Ende des langen Korridors angelangt war, flog die Eingangstür zur Intensivstation auf, und eine Schwester kam im Laufschritt heraus. Sie presste ein zerknülltes Papierhandtuch gegen ihre Schürze. Als Nächstes sah er, dass das Papier dunkel verfärbt war, und zum Schluss – die Schwester war jetzt direkt neben ihm – erkannte er, dass auch ihre Schürze blutgetränkt war.
    Dann flog die Tür abermals auf, und nun trat – blass wie eine Wand und mit blutverschmierten Händen – der Polizeibeamte heraus. »Dort drüben.« Er wies Caffery mit dem Kopf den Weg, und der stürmte an ihm vorbei in die Station.
    Im Schwesternzimmer stand das Fenster offen, und von drau ßen wehte eine sanfte Brise herein. In Peachs Zimmer waren die Vorhänge um das Bett gezogen. Zwei ernst blickende Schwestern waren gerade dabei, den Boden und die Wände abzuwischen. Sogar der von innen her wie eine riesige Laterne leuchtende Vorhang war großflächig mit Blut getränkt. Und unter dem Bett, wo die Schwestern noch nicht gewischt hatten, sah Caffery direkt vor seinen Füßen eine große, fast schwarze Blutlache.
     
    Rund drei Kilomter entfernt in Brixton tat sich Logan im Prince of Wales gerade an einem Red Stripe gütlich. Die Mädchen, die vorne am Eingang zur Clock-TowerGrove-Wohnanlage in einem Büro auf kaufwillige Kunden warteten, hatten sich über die dunklen Schweißflecken unter seinen Achseln lustig gemacht. Deshalb hatte er seine Nachforschungen eingestellt und war wieder den Hügel hinuntergegangen. Seinen Bericht konnte er ja genauso gut ein bisschen frisieren, beschloss er. Ohnehin war im Kollegenkreis allgemein bekannt, dass Jack Caffery in letzter Zeit nicht ganz richtig tickte. Hatte wahrscheinlich mit seiner durchgeknallten Freundin zu viel Dope geraucht oder so was. Ja, dieser Caffery war echt nicht ganz dicht. Wusste doch jeder, dass er zur Zeit ungenießbar war und ständig Streit suchte. Die versteckten Anspielungen auf seine Überstundenmeldung hatte Logan ihm besonders übel genommen. Wohl nicht ganz dicht,

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