Die Behandlung: Roman (German Edition)
unsere Ermittlungen zu stören.«
»Darüber müssen Sie schon mit ihm selbst sprechen.« Sie hob die Hand, um ihn zur Tür zu geleiten. Als er einfach stehen blieb, neigte sie den Kopf zur Seite. »Tut mir wirklich sehr Leid, und das meine ich ganz ernst. Wenn ich hier das Sagen hätte …«
»Ayo, jetzt hören Sie doch mal zu«, zischte er. »Der Kerl da drüben ist der Täter. Er hat seinen Sohn umgebracht.«
Ayos Mund klappte zu. Dann haben wir also einen Mordverdächtigen hier auf der Station – das hätte man uns auch sagen können.
»Ayo, bitte lassen Sie mich jetzt …«
»Tut mir Leid.« Sie schloss die Augen und hob die Hand. »Danke, dass Sie so offen mit mir gesprochen haben, aber ich darf mich von Ihren Verdächtigungen nicht beeinflussen lassen.«
»Oh, verdammt noch mal. Immer diese beschissenen Gutmenschen.«
Sie riss die Augen weit auf. »Das ist wohl kaum der richtige Ton.«
»Ich weiß.« Er sah sich hilflos und frustriert in dem Zimmer um. »Aber Sie beweisen mir doch die ganze Zeit, dass Sie sich einen Scheißdreck dafür interessieren, was der Kerl getan hat. Haben Sie zufällig in der Zeitung gelesen, was mit Rory passiert ist? Haben Sie gelesen, was der Mann dort drüben getan hat? Was er mit seinem eigenen Sohn angestellt hat?«
Ayo schluckte und spürte, wie ihr Blutdruck langsam stieg. »Ich habe Ihnen doch bereits meinen – unseren – Standpunkt erklärt, also …« Sie presste die Hand auf den Bauch. Das Kind in ihr hatte ungestüm zu strampeln angefangen, als ob es sauer auf sie wäre. »Wenn Sie so gut wären, jetzt zu gehen – bitte seien Sie doch vernünftig. Ich muss sonst den Sicherheitsdienst alarmieren.«
»Danke, Ayo«, sagte er. »Vielen Dank für Ihr Verständnis.« Er wandte sich zum Gehen. »Werde ich Ihnen nie vergessen.«
»Und kommen Sie bitte nicht wieder, bevor Sie von uns hören«, rief sie ihm nach, »und das kann noch Tage dauern.«
Als er weg war, stand sie zitternd da. Sie stellte die Bettpfanne beiseite und ging in das Schwesternzimmer, wo sie sich erst einmal auf eine Liege setzte, tief durchatmete und darauf wartete, dass ihr Herzschlag sich wieder beruhigte. Eine der jüngeren Schwestern fragte besorgt: »Hey – alles in Ordnung?«
»O Gott – ich weiß nicht. Ich denke schon.« Ayo lehnte den Kopf zurück und atmete durch die Nase. Ihr Puls raste, und ihr war plötzlich schrecklich übel. Wahrscheinlich eine Panikattacke, dachte sie. Die Schwester, die Ayos blasses Gesicht und ihre zitternden Hände sah, kam herein und machte Wasser heiß.
»Ich mach Ihnen jetzt erst mal einen Kamillentee. Sie sind im Augenblick einfach nicht belastbar – in Ihrem Zustand.«
»Vielen Dank – Sie sind ein Schatz.« Ayo lehnte sich zurück und schob den Gummizug ihrer Strumpfhose ein Stück nach unten. Dann setzten leichte Wehen ein, die sie durch ruhiges Atmen wieder zu besänftigen vermochte. Um Gottes willen – der Mann ist doch nur etwas laut geworden, und jetzt das hier. Hoffentlich führt das nicht zu einer Frühgeburt. Ach, mein armes, armes Kind, dachte sie zum tausendsten Mal: mit einer komplett neurotischen Mutter – was soll nur aus dir werden ?
»Tut mir Leid, dass ich einen Fehlalarm ausgelöst habe.« Der Uniformierte stand draußen vor dem Eingang zur Intensivstation und trat von einem Fuß auf den anderen. »Wir haben hier nur die Alarmglocke gehört und gesehen, wie die Schwestern völlig konfus durch die Station gerannt sind, und da dachte ich, dass es besser ist, Sie zu informieren.«
»Schon gut.« Cafferys Handy klingelte. »Sie können mich jederzeit anrufen. Und bitte melden Sie sich sofort« – er zog das Telefon aus der Tasche, drückte den Okay-Knopf und legte den Daumen auf das Mikrofon – »wenn dieser nette Dr. Friendship uns endlich mit ihm sprechen lässt. Okay?« Er nickte knapp, drehte sich dann um und sprach in sein Telefon. »Ja? Caffery.«
»Ich bin’s. Ich hab da was erfahren.«
Er zögerte, versuchte die Stimme einzuordnen. Als er kapiert hatte, mit wem er sprach, winkte er dem Uniformierten noch mal zu und ging dann den Korridor entlang. »Tracey«, sagte er, sobald er außer Hörweite war, »sagen Sie das noch mal.«
»Also, ich hab da was gehört, was Sie interessieren könnte. Es geht um die Sache, über die wir gesprochen haben.«
»So, so – aber wir haben den Fall inzwischen gelöst.«
Am anderen Ende der Leitung herrschte kurzes Schweigen. »Ich meine nicht die Geschichte in Brixton«, sagte sie.
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