Die Behandlung: Roman (German Edition)
kann ich nicht genau sagen …« Er zeigte verlegen auf den merkwürdigen Haufen. »Jedenfalls glaub ich nicht, dass es damals hier so gerochen hat.«
»Und das Loch da drüben? Haben Sie das gesehen, als Sie hier oben waren?«
Caffery hockte an der Stelle, wo die Balken des Dachstuhls auf der Außenwand auflagen. Er stützte sich auf eine Hand und wies auf ein Loch, durch das man unter der Traufe hindurch in den Garten schauen konnte. Jemand hatte dort ein Brett entfernt. Ungefähr sechs Meter weiter unten auf der Terrasse standen zwei schmutzige Milchflaschen. Jemand hatte sich hier ein Guckloch geschaffen. Wenn man sich auf den Bauch legte und den Kopf durch das Loch schob, befand man sich direkt über Rorys Fenster.
Im Freien war es in dieser Nacht ungewöhnlich kalt, als ob die gesamte Hitze des Tages himmelwärts entwichen wäre. Caffery und Souness standen eine Weile schweigend da und starrten zu den Sternen hinauf. Nach dem Aufenthalt auf dem stinkenden Dachboden tat es gut, tief durchzuatmen. In dem Wagen der Spurensicherung waren die Techniker damit beschäftigt, diverse Proben zu präparieren und in die bereitstehenden Kühlschränke zu verfrachten. Neuerdings wurden die meisten Proben tiefgefroren, obwohl niemand so recht wusste, wieso. Doch tatsächlich ließ sich DNS wesentlich leichter aus gefrorenen Substanzen gewinnen als aus normal temperierten Materialien. Caffery drehte sich eine Zigarette und blickte zum Himmel hinauf, wo sich der sichelförmige Mond so klar abzeichnete, als ob jemand ihn dort oben hingeklebt hätte. Er dachte daran, dass der Mond für Tracey Lamb derselbe war wie für ihn. Mein Gott, jetzt reicht’s aber … Er sah Souness an, die neben ihm stand. »Danni?«
»Ja.«
»Gibt es etwas, das Sie mir sagen möchten?«
Sie sah ihn überrascht an. »Nein. Wieso denn?«
»Na gut.«
»Was soll diese merkwürdige Frage? Was ist denn los?«
»Ach, gar nichts.« Er zündete die Zigarette an. »Nein, wirklich nicht.« Er glaubte ihr – sie wusste von nichts. Falls Paulina hinter Lambs Verhaftung steckte, dann wusste Souness jedenfalls nichts davon.
Rebecca ahnte, dass sich ihr Leben über Nacht völlig verändert hatte. Wie im Zeitraffer war alles passiert, und plötzlich war nichts mehr wie vorher. Wie der erste Frühlingshauch nach einer langen Winterstarre. Ihr Körper musste das Heroin inzwischen abgebaut haben, trotzdem war sie von einer fast unnatürlichen Ruhe erfüllt – als ob sie schließlich doch noch den richtigen Weg eingeschlagen hatte. Sie hatte ihren Agenten angerufen und die Ausstellung in Clerkenwell abgesagt und den Mann beauftragt, sämtliche Arbeiten, für die bereits Angebote vorlagen, sofort zu verkaufen. Im Laufe des Tages sprach sich die Neuigkeit in der Kunstszene herum, und ihr Agent trieb die Preise immer mehr in die Höhe. »Rebecca – das kannst du dir nicht vorstellen. Ich sitze hier in meinem Büro und schaue auf die Straßen von Soho hinaus, und draußen stehen die Leute Schlange, weil sie unbedingt was von dir kaufen möchten. Die hätten mir selbst deinen Klodeckel aus der Hand gerissen.«
Sie verbrachte den Tag in Cafferys Haus, machte es sich im Garten bequem, rauchte, das Handy am Ohr, Zigarillos und konnte kaum glauben, dass die Wahnsinnspreise, die ihr Agent ihr telefonisch durchgab, etwas mit ihr zu tun haben sollten. Ob da nicht vielleicht doch ein Missverständnis vorliegt? Sie beobachtete den Rauch, der sich über ihrem Kopf in der Luft kringelte, und dachte über diese merkwürdige Wende in ihrem Leben nach. Sie überlegte, was Jack wohl zu alledem sagen würde – was er jetzt über sie denken mochte. Dabei könnte ich es dir nicht mal verübeln, wenn du mich einfach rausschmeißt, Jack, echt nicht.
Als er spätabends nach Hause kam, sah er total fertig aus – er war ganz grau im Gesicht. »Kaum zu glauben, was für dreckige Schweine es auf der Welt gibt«, sagte er, holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank, leerte das Kleingeld aus seinen Taschen und steckte seine Jacke in den Sack mit den Sachen für die Reinigung. »Unglaublich – was für ein mieses Pack.« Doch als sie ihn mit Fragen bedrängte, war nichts aus ihm herauszuholen. Er zog die Hose aus, steckte sie ebenfalls in den Sack und ging dann auf Socken nach oben ins Bad.
Während er duschte, öffnete sie eine Flasche Wein, eine große blaue funkelnde Flasche, und brachte sie nach oben. Sie füllte zwei Gläser, stellte seines mitsamt der Flasche auf den
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