Die Behandlung: Roman (German Edition)
elektrischen Anschlüsse versteckt waren, kroch eine Fliege hervor.
Er stellte sich auf das Bett und drehte an der Rosette. An einer Stelle befand sich in dem Plastik eine kleine rechteckige Öffnung. Er steckte den Finger hinein, spürte den aufgerauten Rand. Anscheinend hatte jemand das Rechteck mit einem Messer in die Rosette hineingeschnitten.
Fiona? Sein Herz fing plötzlich an zu rasen, und das Blut dröhnte in seinen Ohren. Ob vielleicht die Spurensicherung das Stück herausgeschnitten hat? Ach, das ist völlig lächerlich .
»Hallo, Hal, ich hoffe, dass ihr euch in Cornwall gut amüsiert. Hier spricht Darren, altes Haus. Natürlich sehen wir uns ohnehin, wenn ihr zurück seid. Aber Ayo hat mich gebeten, euch anzurufen und euch zu sagen, dass sie es nicht geschafft hat, eure Blumen zu gießen. Tut ihr furchtbar Leid. Aber gestern Abend ist unser Baby zur Welt gekommen.« Er hielt kurz inne, und Benedicte sah ihn vor sich, wie er von einem Fuß auf den anderen trat und nach den passenden Worten suchte. »Also, unser Kind ist ein bisschen zu früh gekommen – einen Monat, genau genommen -, aber Ayo hat in der Arbeit mit einem ziemlich unverschämten Polizisten Ärger gekriegt, und der Kerl hat sie so schikaniert, dass plötzlich die Wehen eingesetzt haben. Ist völlig richtig, was du über die Bullen gesagt hast, Josh. Jedenfalls ist der kleine Errol, also, das ist der Name unseres kleinen Jungen – ja, er muss zur Zeit noch im Brutkasten liegen, aber sonst geht es ihm gut …« Wieder hielt er inne und dachte offenbar darüber nach, was er sonst noch sagen wollte. »Na ja, also unserem Sohn geht es so weit recht gut, nur dass wir leider die Blumen nicht gießen konnten, und das tut uns echt Leid. Wenn ihr wieder da seid, werden wir natürlich’ne Flasche aufmachen und ein bisschen feiern, das ist ja sowieso klar.« Er hustete. »Tja, das war’s, glaube ich erst mal. Also dann: viele Grüße und bis bald.«
Benedicte lag vor der Heizung und presste sich die Hände ans Gesicht.
Sie hatte Kopfschmerzen und Krämpfe in den Beinen, und trotz der Wassertropfen, die sie gierig aus dem Heizungsrohr sog, war ihr Mund so total ausgetrocknet, dass sie ihn kaum schlie ßen konnte. In den Zeitungen hatte es geheißen, dass Carmel Peach bei der Hitze keine weiteren vierundzwanzig Stunden überlebt hätte, falls die Polizei nicht erschienen wäre. Smurfs Atem ging immer schwerer, und es war offensichtlich, dass ihr Zustand sich rapide verschlechterte. Sie war alt und verwirrt und starrte mit glanzlosen Augen stumpf vor sich hin. Schon seit Stunden hatte sie sich nicht mehr bewegt – nur ab und zu gestöhnt oder gewimmert. Ben ließ die Hände sinken und atmete ein paar Mal tief durch, versuchte, die Tränen zu unterdrücken. Dann hatte Ayo also ein Kind bekommen, und sie selbst und Josh und Hal waren zum Sterben verurteilt.
Caffery entdeckte in einem Schrank in der Küche einen Mopp und ging damit nach oben. Er schaltete im ersten Stock sämtliche Lichter ein und stand dann auf dem Treppenabsatz und blickte zu der Dachbodentür in der Decke hinauf. Immer wieder kam es vor, dass Eltern, die ihr Kind als »vermisst« meldeten, ihren Nachwuchs kurz darauf auf dem Dachboden entdeckten: Und vergessen Sie nicht, hinter dem Wassertank nachzuschauen . Auch das Einsatzteam, das gleich nach dem Alarm bei den Peachs eingetroffen war, hatte natürlich auf dem Speicher nach Rory gesucht. Ob die Beamten etwas übersehen hatten?
Er zog an dem Griff der Klappe. Sie ließ sich problemlos nach unten ziehen. Als er die Hand nach oben streckte, entdeckte er in der Klappe einen Lichtschalter und eine ausziehbare Metallleiter. Das Licht ging an, und der Dachstuhl erschien, von unten betrachtet, plötzlich wie das Gewölbe einer Kirche. Er schob sich die Taschenlampe hinten in den Hosenbund, zog die Leiter nach unten und kletterte dann hinauf.
Caffery war genau eins achtzig groß und musste sich bücken, weil er auf dem Speicher nicht aufrecht stehen konnte. Auf dem Dachboden hatte alles seinen Platz. Caffery sah einige Kartons: »Rory/Kleider« hatte jemand auf eine der Kisten geschrieben, »Küche« auf eine andere. Außerdem gab es dort noch ein paar Rollen Isoliermaterial, und hinten in der Ecke, wo das Licht kaum mehr hinreichte, lehnte ein Weihnachtsbaum an der Wand – daneben eine Woolworth-Tüte mit Weihnachtskugeln. An den Dachwänden waren Spinnweben, sogar über der Glühbirne – fast wie eine Geisterbahnkulisse.
Weitere Kostenlose Bücher