Die Behandlung: Roman (German Edition)
das verbliebene Kabelstück durch die Griffe der Schränke und verknotete es an dem Bein des im Boden fest verankerten Tisches. Jetzt konnte er sich nur noch in einem beschränkten Radius bewegen. Das Kabel war gerade so lang, dass Steven bis zum Waschbecken gehen konnte, während das Fenster und die Tür außerhalb seiner Reichweite lagen. So, jetzt kann er keinen Unsinn mehr anstellen .
»Na also.« Sie trat zurück und wischte sich die Hände an ihren Leggings ab. »Wetten, dass Steven es schafft, sich von dem Kabel zu befreien? Steven ist doch viel schlauer als Tracey – hab ich Recht?«
»Joo.«
»Dann wollen wir mal sehen. Und jetzt zeig mir mal, wie du dich von dem Kabel befreist.«
»’kay,’kay.« Er grinste, schaukelte vor und zurück und verdrehte die Augen. Er mühte und wand sich, und das Kabel grub sich immer tiefer in seine Handgelenke, bis das Fleisch zu Wülsten zusammengequetscht war und die Adern an seinem Hals hervortraten. Tracey stand mit verschränkten Armen da und sah ihm zu. Ja, jetzt versuch mal, dich von dem Ding zu befreien – kleiner Scheißer .
Und dann war er plötzlich frei. Er sprang mit schlenkernden Armen auf – wie ein Baby, das es geschafft hat, sich aus seinem Stühlchen zu befreien -, ein breites Grinsen auf dem Gesicht. »Gehafft.«
Ach, du verdammter kleiner Scheißer . Sie trat mit dem Fuß gegen das Tischbein. »Ja, du hast es tatsächlich geschafft.«
»’wonnen,’wonnen.«
»Gut – dann versuchen wir’s noch mal.«
»Joo, joo.« Er hüpfte aufgeregt auf der Stelle.
»Aber diesmal muss Tracey sich mehr anstrengen.«
Diesmal fesselte sie ihn noch zusätzlich mit einem zweiten Kabel und holte außerdem noch das Abschleppseil aus dem Kofferraum des Datsun. Dann fesselte sie ihn so, dass eine seiner Hände frei blieb, und obwohl er sich zehn Minuten abmühte, vermochte er sich nicht wieder zu befreien. Sie stand an der Tür und beobachtete ihn mit einem kühlen Lächeln. Schließlich hockte er sich mit angezogenen Beinen auf die Liege und sah sie grinsend an. Obwohl völlig außer Atem, strahlte er ihr begeistert entgegen. Er war noch immer der Meinung, dass alles nur ein Spiel sei.
»Gut gemacht.« Tracey schob mit dem Fuß den Eimer in seine Richtung. »Okay, dauert nicht lange. Ich bin heute Nachmittag zurück. Und wenn du ganz artig bist« – sie beugte sich zu ihm hinab und grinste -, »wenn du ganz artig bist, dann bring ich vielleicht noch jemanden mit.«
»Auf Ihrer Liste Nummer hundertdrei die Nummer sieben, Sir.« Der Gerichtsdiener zeigte dem Haftrichter, wo der Fall in der Liste vermerkt war. »Es handelt sich um Miss Tracey Jayne Lamb, die durch Kelly Alvarez vertreten wird.«
Das Gericht von Bury St. Edmunds war in einem roten Backsteingebäude mit mächtigen Gewölben untergebracht und befand sich jenseits der verfallenen Abtei. Die Wände im Innern des Gebäudes waren mit schweren Holzvertäfelungen und riesigen Teppichen verkleidet. Kelly Alvarez trug ein fast weißes Kostüm und eine rote Seidenbluse und saß auf der den Verteidigern vorbehaltenen Bank direkt unter der großen Kuppel. Rechts von ihr stand Tracey Lamb mit ihrem unvermeidlichen Styroporbecher in der Hand und kaute gleichgültig auf einem Kaugummi.
Der Gerichtsdiener verlas die Klage: »Tracey Jayne Lamb. Ihnen wird zur Last gelegt, sich in Komplizenschaft mit Dritten, deren Identität nicht bekannt ist, der gemeinschaftlichen Unzucht mit Minderjährigen schuldig gemacht zu haben.«
Der Haftrichter sah Lamb mit hochgezogenen Augenbrauen an, als ob er sie bis dahin noch gar nicht bemerkt hätte. Ja, er schien über ihren Anblick fast ungehalten – als wäre sie einfach unangemeldet hereingeplatzt.
»Miss Lamb.« Er nahm die Brille ab, legte die Hände flach auf den Tisch und beugte sich in seinem großen, mit Leder bezogenen Stuhl nach vorne. »Sie wissen sicherlich, dass dies ein schwerwiegender Vorwurf ist und dass wir den Fall hier heute nicht abschließend verhandeln können. Im Augenblick geht es also nur darum, ob wir Sie in Untersuchungshaft nehmen oder gegen eine angemessene Kaution bis zur Hauptverhandlung wieder auf freien Fuß setzen.«
Lamb quittierte diese Auskunft mit einen spöttischen Lächeln und sah ihn an, als ob er gefragt hätte, wie viel zwei Mal zwei ist. »Ja-a.« Sie schob sich den Kaugummi hinter die Zähne, spie eine Ladung Auswurf in ihren Becher, nahm Haltung an und lächelte dreist. »Das weiß ich.«
»Also gut.« Er schloss
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