Die Behandlung: Roman (German Edition)
Zehenspitzen und flüsterte Caffery ins Ohr: »Sagen Sie ihr, dass ich ständig bete, bester Mann, sagen Sie ihr, dass wir alle für Rory beten.«
In dem Schlafzimmer roch es nach Parfüm und Rauch. Überall rosa Seidendecken: auf dem Bett, auf dem Heizkörper, auf der Ankleidekommode – er kam sich vor, als wäre er in eine Schmuckschatulle geraten. Das Zimmer lag auf der Rückseite des Hauses. Bei geöffneten Vorhängen hätte man von hier aus den Park sehen können. Aber vielleicht hatte die klein gewachsene Polizistin, die auf einem rosa bezogenen Sessel direkt neben dem Fenster saß, genau das befürchtet und sie deshalb zugezogen.
Als die Polizistin Caffery sah, stand sie halb auf, murmelte »Sir«, setzte sich wieder und wies mit dem Kopf auf das Bett, auf dem Carmel Peach lag und den Eintretenden den Rücken zukehrte. Carmel trug ein T-Shirt, auf das hinten das Logo der Fußball-WM 1998 aufgedruckt war, dazu weiße Leggings. Die Frau hatte eine raue Haut und dünne Gliedmaßen. Ihre Arme waren stellenweise dunkelblau verfärbt. Vor sich auf dem Bett hatte sie ein Päckchen Superkings, ein Feuerzeug und einen Kristallaschenbecher. Ihr Gesicht konnte er zwar nicht sehen, aber wenigstens erkennen, dass ihre beiden Handgelenke bandagiert waren: Wie inzwischen jeder wusste, hatte Carmel Peach tagelang versucht, ihre Hände aus den Handschellen zu befreien, um ihrem Sohn zu Hilfe zu kommen.
Caffery machte die Tür hinter sich zu und stand einige Sekunden unschlüssig da. Genau diese Situation hast du schon mal erlebt, Jack, weißt du noch? Ihm fiel wieder ein, wie er damals völlig hilflos in der Tür gestanden und seine Mutter betrachtet hatte, die am ganzen Körper bebend auf dem Bett gelegen und sich wegen Ewan die Augen ausgeheult hatte. Falls du in ihren Gedanken überhaupt eine Rolle spielst, dann nur, weil sie möchte, dass du endlich wieder verschwindest.
»Sie sind doch dieser Inspector, nicht wahr?« Sie drehte sich nicht mal um und würdigte ihn keines Blickes.
»Ja richtig, ich bin von der Polizei. Geht es Ihnen inzwischen etwas besser?«
Ihr Blick war unverwandt auf die Vorhänge gerichtet. »Haben Sie – also, Sie wissen schon?«
»Mrs. Peach …«
Sie hob abwehrend die Hände, als ob sie seine Worte nicht ertragen könne, fügte sich dann jedoch. »Also, dann reden Sie schon.«
»Tut mir Leid.« Er blickte sich in dem Zimmer um, sah die Polizistin kopfschüttelnd an und war froh, dass Carmel sein Gesicht nicht sehen konnte. »Tut mir aufrichtig Leid. Aber es gibt nichts Neues.«
Zunächst zeigte sie keine Reaktion. Nur ihre nackten Füße verkrampften sich kurz, sonst nichts. Er wollte schon weitersprechen, als sie sich plötzlich heftig zusammenkrümmte, sich stöhnend und keuchend mit den Fäusten auf den Bauch trommelte und sich wütend hin und her wälzte, bis das Betttuch völlig zerwühlt war. Die Polizistin war sofort zur Stelle. »Ist ja schon gut, Carmel, ist ja schon gut.« Sie ergriff Carmels Hände und strich ihr mit den Daumen besänftigend über die Handrücken. »Ganz ruhig. Ist ja gut.« Allmählich beruhigte sich die Frau wieder. »Ist ja schon gut. Ich verstehe, dass Sie erregt sind, trotzdem dürfen Sie sich nichts antun.«
Sie sah Caffery an, der völlig erstarrt an der Tür stand. Eigentlich hätte er sofort an das Bett treten und Carmels Hände festhalten sollen, aber ihm fiel plötzlich wieder ein, wie seine Mutter sich damals in die Arme gebissen hatte, während auf der anderen Seite des Bahndamms die Polizei Pendereckis Haus durchsucht hatte. Er sah wieder vor sich, wie sie ihre Arme fast zerfleischt hatte, um sich von der unerträglichen Spannung zu befreien. Und auch diesmal stand er der Situation hilflos gegenüber.
Die Polizistin setzte sich wieder auf ihren Stuhl, und Carmel schien jetzt einigermaßen gefasst. Sie holte tief Luft, strich sich dann mit der Hand über die Stirn und schüttelte den Kopf. »Und Alek? Was ist mit Alek?«
»Ich – also er ist noch im Krankenhaus. Die Ärzte dort tun ihr Möglichstes.«
»Trotzdem wird er es kaum schaffen.«
»Tut mir wirklich Leid, Carmel, aber ich würde gegen meine Dienstpflicht verstoßen, wenn ich Ihnen die Wahrheit verschweige. Ja, Sie müssen sich tatsächlich auf das Schlimmste gefasst machen.«
»Ach, halten Sie doch den Mund, halten Sie einfach Ihren verdammten Mund!« Sie vergrub das Gesicht in den Händen. »Lassen Sie sofort den Arzt kommen«, forderte sie. »Sagen Sie dem Mann, dass ich
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