Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Behandlung: Roman (German Edition)

Die Behandlung: Roman (German Edition)

Titel: Die Behandlung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
Vom Netzwerk:
vorbestraft bist.«
    »Glaubst du?« Einer der älteren Schwimmlehrer knackte mit den Fingern und beobachtete Gummer, der am Rand des Beckens darauf wartete, dass zwei Mädchen ihre Schwimmgürtel anlegten. »Und wieso nicht?«
    Die anderen Schwimmlehrer verstummten plötzlich und sahen zu Gummer hinüber. Der Mann schien an diesem Tag besonders nervös. Er betreute gerade eine Gruppe Sechs- bis Siebenjährige, und anscheinend hatten die beiden Mädchen Probleme, ihre Gürtel anzulegen.
    Gummer machte keinerlei Anstalten, ihnen zu helfen. »Wieso braucht ihr denn heute so lange? Was ist denn los?«
    Hinter ihm flüsterte ein Kind. Er drehte sich um. »Was? Was habt ihr denn heute bloß?« Betretenes Schweigen. Auf der Zuschauertribüne saßen an diesem Tag mehr Eltern als sonst, das hatte er sofort bemerkt, außerdem fehlten einige der Schüler. »Was geht hier eigentlich vor sich?«, fragte er und sah wieder die beiden Mädchen an. »Wollt ihr es mir nicht sagen?«
    »Rory«, sagte das größere der beiden Mädchen unvermittelt – ein ernstes Kind aus Trinidad mit zahllosen dünnen Zöpfen. Die Kleine trug einen pinkfarbenen Spice-Girls-Badeanzug und hatte die Zehennägel dazu passend rosa lackiert. »Es ist wegen Rory.«
    »Rory?« Er hob die Augenbrauen. »Wer ist Rory?«
    »Rory vom Donegal Crescent.«
    »Was ist mit ihm? Was ist mit ihm los?«
    Beide Mädchen schwiegen. Die kleinere der beiden, die noch etwas dunkelhäutiger war und einen grünen Zweiteiler trug, schob sich den Finger in den Mund. »Wir haben die Polizei gesehen.«
    »Und hat die Polizei euch erzählt, was passiert ist?«
    Die zwei Mädchen sahen sich an und dann wieder ihn.
    »Nein? Dann wisst ihr also gar nicht, was passiert ist?«
    »Nein.« Das größere der Mädchen schüttelte den Kopf. »Aber es weiß doch ohnehin jeder, was passiert ist.«
    »Ihr wisst also, was passiert ist? Hm, dann müsst ihr ja ziemlich schlau sein.« Er stützte sich mit den Händen auf die leicht angewinkelten Knie und beugte sich mit zusammengekniffenen Augen ein wenig vor. Natürlich wusste er ganz genau, dass die Eltern, die sich auf der Tribüne eingefunden hatten, ihn misstrauisch anstarrten, als ob sie einen bestimmten Verdacht gegen ihn hegten. »Los, dann erzählt mir mal, was passiert ist.«
    »Es war der Troll.«
    »Ach so.« Er hatte schon darauf gewartet, dass dieser Name fallen würde. Er richtete sich wieder auf, schnappte sich einen Stapel Schwimmflossen und warf sie ins Wasser. Dann blieb er kurz stehen und sah zu, wie sie davontrieben. Schließlich rieb er sich die Hände an seinem T-Shirt und blickte wieder die Mädchen an. »Der Troll?«
    Das kleinere Mädchen starrte auf ihre Füße.
    »Und – habt ihr den Troll vielleicht schon mal gesehen?«
    »Nein«, sagte das größere Mädchen.
    »Und woher wisst ihr dann das alles? Hat vielleicht von euren Freunden schon mal jemand den Troll gesehen?«
    Sie nickte und sah ihn an.
    »Und kannst du mir vielleicht sagen, wer von deinen Freunden?«
    »Ein paar«, erwiderte sie und blickte teilnahmslos ins Wasser. Er wusste sofort, dass sie log. »Der Troll wohnt in den Bäumen im Park.«
    »Wirklich?«
    »Und er ist an dem Fallrohr hochgeklettert. An dem Fallrohr von Rorys Haus.«
    »Ach so.«
    »Ja, er ist daran hochgeklettert und hat sie alle umgebracht, und dann hat er sie in ihren Betten aufgegessen.«
    Das kleine Mädchen in dem zweiteiligen grünen Badeanzug fing bei diesen Worten an zu weinen. Sie wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht.
    »Ist ja gut. Schon gut.« Fisch richtete sich abrupt auf, weil die Tränen ihn offenbar verwirrten. »Ich glaube, dass ihr da ein bisschen zu voreilig seid. Niemand weiß genau, was passiert ist.« Da er Angst hatte, dass die Eltern mitbekamen, was unten am Beckenrand vor sich ging, stellte er sich so vor das kleine Mädchen, dass sie von der Tribüne aus nicht zu sehen war. »Bis jetzt weiß doch kein Mensch, ob es der Troll gewesen ist – oder?«
    Schließlich nickte sie, hörte aber immer noch nicht auf zu weinen. »Also gut.« Er drehte sich um, sah die anderen Kinder an und klatschte in die Hände. »Los, auf geht’s. Kein Grund zur Beunruhigung. Und jetzt ab ins Wasser. Wer will, kann einen Schwimmgürtel anlegen.«
    Als er später nach Hause ging, kam er an vier Parktoren vorbei und stellte fest, dass sie alle geschlossen und mit Polizeiaushängen beklebt waren. Ungewöhnlich aufgewühlt setzte er seinen Weg fort. In der Wohnung

Weitere Kostenlose Bücher