Die Behandlung: Roman (German Edition)
an und konnten gar nicht wieder aufhören. Sein erster Impuls war, sich einfach umzudrehen und in den Umkleideraum zu rennen. Jetzt wussten sie, wie sie ihn lächerlich machen konnten, und er wusste, dass das nur der Anfang war.
Den ganzen Tag über tat sich nichts. Nachmittags kamen die Beamten dann nach und nach zurück und legten vor Kryotos ausgefüllte Formulare auf den Schreibtisch, auf denen sie notiert hatten, was sie den Tag über gemacht hatten. In der anschlie ßenden Besprechung berichteten sie über ihre Ergebnisse. Caffery, der sie von nebenan durch die Scheibe in seiner Tür beobachtete, sah schon von weitem, dass keiner der Männer etwas erreicht hatte. Er seufzte, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und zündete sich eine weitere Zigarette an. Seit Stunden hatte er nichts mehr gegessen, und jetzt fühlte er sich plötzlich hundemüde. Auch wenn der Name, mit dem Champ damals seinen Schänder bezeichnete hatte, in die lokale Folklore eingegangen war, hatten die Beamten lediglich irgendwelche abstrusen Geschichten aus den Kindern herausgebracht – also wieder nichts Konkretes. Caffery bat telefonisch das Revier in Brixton, die Fotos von den Bisswunden, die der Täter damals im Körper des kleinen Champ Keoduangdy verursacht hatte, an das King’s Hospital weiterzuleiten. Er hoffte, dass Ndizeye, der Odontologe der Klinik, feststellen konnte, ob der Mann, der vor rund zwölf Jahren den kleinen Champ gebissen hatte, mit der Person identisch war, die sich in gleicher Weise an Rory Peach vergangen hatte. Ndizeye hatte die Abdrücke, die er von Rorys Rücken gemacht hatte, inzwischen ausgewertet: »Es handelt sich um den Kiefer eines Erwachsenen mit glatten Schneidezähnen. Der Täter muss also über zwanzig sein. Große deutliche Abdrücke. Die Zähne eines Menschen sind genauso unverwechselbar wie die DNS.« Doch egal, wie unverwechselbar die Zähne des Täters auch sein mochten, Caffery brauchte jetzt unbedingt die DNS. Um 16 Uhr 30 kam Kryotos schließlich lächelnd herein.
»Fiona Quinn möchte Sie sprechen«, sagte sie und zeigte auf das Telefon. »Sie hat jetzt die DNS-Ergebnisse.«
Er sprang von seinem Stuhl auf, schnappte sich den Hörer und blickte aus dem Fenster. »Fiona.« Er konnte kaum erwarten, zu hören, was sie zu sagen hatte. Seine Stimme klang belegt. »Wie geht’s denn so?«
»Mir geht’s gut, Jack, aber ich hab eine schlechte Nachricht. Die DNS ist kaputt.«
»Was – kaputt?«
»Ja, richtig.«
»Scheiße.« Er ließ sich enttäuscht auf den Stuhl sinken.
»Aber Jack, Sie kennen das doch: Sie wissen doch, dass mindestens achtzig Prozent unserer Proben wertlos oder nur bedingt brauchbar sind. Schließlich ist DNS eine hoch sensible Sache.«
»Ja, ich weiß – sagen Sie fast jedes Mal. Ich hab nur gehofft …« Er seufzte. Ohne brauchbare DNS war eine Reihenuntersuchung unmöglich – blieben also nur Ndizeyes Abdrücke. »So eine Scheiße . Das heißt, Sie haben gar nichts, was uns vielleicht weiterhelfen könnte?«
»Na ja, ich bin noch mal in dem Haus gewesen und hab die Ecke in dem Raum inspiziert, von der dieser Alek Peach in seiner Aussage gesprochen hat …«
»Ja und?«
»Bis jetzt noch nichts.«
»Und was ist mit den weißen Fasern – aus Rorys Wunden?«
»Bisher noch nichts. Wir warten noch auf die Ergebnisse. Außerdem haben wir ja noch diesen Schuh – vielleicht hilft uns das weiter. Und dann ist da noch dieses Zeug, das Ninhydrin, das die Biologen auf die Wände gesprüht haben. In einigen Tagen wissen wir, ob sich was daraus entwickelt hat. Die Zeugenaussagen, die Sie bisher haben, sind für uns allerdings ziemlich wertlos, ehrlich gesagt. Und selbst wenn der Täter im ganzen Haus Fingerabdrücke hinterlassen hat, gibt es keine Garantie, dass das Ninhydrin sie sichtbar machen kann. Wir können nur hoffen, dass der Mann Fleisch isst – sollten wir es mit einem Vegetarier zu tun haben, dann können wir die Sache vergessen.«
»Okay, okay.« Er schloss die Augen. In seinem Kopf hämmerte es wie nach einem schweren Rausch. »Dann können Sie also mit der Spermaprobe absolut nichts anfangen?«
»Hm – kann ich noch nicht genau sagen.«
Er machte die Augen wieder auf. »Wie bitte?«
»Kann ich noch nicht abschließend sagen.«
»Jesus.« Er ließ die Luft zwischen den Zähnen entweichen. »Das darf doch nicht wahr sein.«
Nebenan waren gerade Souness und Paulina aufgekreuzt. Von seinem Platz aus konnte er Paulinas – überaus gepflegten –
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