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Die Behandlung: Roman (German Edition)

Die Behandlung: Roman (German Edition)

Titel: Die Behandlung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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was hatte es mit den merkwürdigen Leitersprossen neben der Hütte auf sich? Sollten sie vielleicht Stufen darstellen? Er drehte das Blatt um neunzig Grad, bis die Leiter auf der Seite lag. Sie war etwa in der Mitte unterbrochen. Ein Doppelpfeil verband die getrennten Sprossen miteinander. Über dem Pfeil standen Zahlen: 10-140. Die Sprossen rechts von dem Pfeil waren mit den Nummern 141, 142, 143, 144, 145 markiert. Er ließ den Finger über das Papier gleiten. Oberhalb der Sprosse 145 befand sich ein weiterer Pfeil – darüber ein von Penderecki doppelt eingekreistes X.
    Wieder drehte er das Blatt um fünfundvierzig Grad und stellte es fast senkrecht vor sich auf den Tisch. Plötzlich war die Bedeutung sonnenklar. Oh, verdammte Scheiße – natürlich! Mit pochendem Herzen richtete er sich auf dem Stuhl auf. Der Bahndamm – Pendereckis Spielwiese. Der Mann hatte die Gleise schließlich unzählige Male überquert, kannte sich hier aus wie die Ratten und die Füchse. Die kurzen Linien auf der Skizze markierten die Schwellen. Und wenn diese Annahme richtig war, dann stand das rechteckige Kästchen wahrscheinlich für das unbenutzte Toilettenhäuschen gleich neben dem Bahnhof von Brockley – natürlich … sicher . Das X bezeichnete also eine Stelle, die sich 145 Schwellen jenseits des Bahnhofs befand.
    »Ja, das X markiert die Stelle«, murmelte er und drückte den Joint aus. Penderecki hielt auch weiterhin einige entscheidende Fäden in der Hand – dazu reichte seine Macht sogar noch im Tod aus. Caffery nahm ein paar Werkzeuge aus einer Schublade, holte eine kleine Kamera aus Ewans Zimmer und schnappte sich dann den Schlüssel für die Hintertür. »Ich kann dir nur raten, mich nicht wieder reinzulegen, alter Scheißkerl.«
    Die Sonne stand schon tief über den Häusern, und in den Gärten auf der Bahndammseite kreischten die Kinder, turnten an irgendwelchen Geräten herum oder jagten sich im Kreis. Caffery bahnte sich parallel zum Bahndamm auf einem Wildwechsel einen Weg durch das Unterholz. Er schlich mit gesenktem Kopf fast geräuschlos durch das üppige Grün. Die Bahnpolizei war auf die Kollegen von der »richtigen« Polizei ohnehin nicht gut zu sprechen. Ein ausgewachsener Inspector direkt neben dem Gleiskörper, das wäre für diese Leute natürlich ein besonders schöner Fang. Ringsum war es merkwürdig still. Ab und zu fingen die Gleise plötzlich an zu singen, und ein Zug raste donnernd vorbei. Dann wieder tiefe Stille – nur in Watte gepackte Samenkapseln, die weich wie Daunen gemächlich zu Boden segelten.
    Während er sich seinen Weg durch das Gebüsch bahnte, musste er immer wieder an Ewan denken. Alles hier erinnerte ihn an seinen Bruder, sogar der Metall- und Ölgeruch, der von den in der Abendsonne liegenden Gleisen aufstieg. Ihm fiel wieder ein, wie er damals mit seinem Bruder an dem Bahndamm Cowboy gespielt, wie sie sich gegenseitig Fallen gestellt hatten. Ewan – mein Gott . Er wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß aus dem Gesicht und traute sich kaum daran zu denken, was ihn am Ziel seiner Expedition erwartete.
    Dann erreichte er die öffentliche Toilettenanlage. Ihre mit obszönen Graffiti beschmierte Rückwand starrte ihm entgegen: winzige zertrümmerte und mit Spanplatten notdürftig geflickte Fenster, die an Schießscharten in einem Bunker erinnerten. Er warf nochmals einen prüfenden Blick auf die Skizze und positionierte sich dann so, dass der Bahnhof New Cross hinter und die Station Honour Oak vor ihm lag. Dann fing er an, die Schwellen zu zählen.
    Fünfzehn, sechzehn, siebzehn …
    Unterwegs musste er über tote Ratten, getrocknetes Toilettenpapier, von der Sonne ausgebleichte Cola-Dosen steigen.
    Fünfzig, einundfünfzig, zweiundfünfzig – hoffentlich kein mieser Scherz, das Ganze.
    Als er sich dem Bahnhof Brockley näherte, hörte die Vegetation seitlich des Bahndamms plötzlich auf. Das Gelände erinnerte an eine – mit Disteln und Sauerampfer bewachsene – urzeitliche Ebene. Doch bereits zehn Meter neben dem Bahndamm stieg das Gelände wieder fast rechtwinklig an. An dem Hang gedieh eine ungemein üppige Vegetation. Was für Tiere mochten sich in diesem Dschungel verbergen? Vielleicht Kapuzineräffchen, die sich schnatternd von Ast zu Ast schwangen? Weiter vorne sah er eine wackelige Fußgängerbrücke, die eine Urwaldschlucht zu überspannen schien.
    Hundertdreiundvierzig, Hundertvierundvierzig, hundertfünf …
    Er hatte jetzt die hundertfünfundvierzigste Schwelle

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