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Die Behandlung: Roman (German Edition)

Die Behandlung: Roman (German Edition)

Titel: Die Behandlung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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erreicht. Er blieb stehen, ließ die Hacke fallen und stellte sich – in Richtung des Pfeiles – quer zum Gleis über die Schwelle. Ein Blick genügte, und er wusste, dass schon vor ihm jemand hier gewesen war. Sah ganz so aus, als ob irgendwer regelmäßig zwischen der Schwelle und dem Fuß des Hangs hin und her gegangen war. Unter den zarten neuen Efeutrieben zeichnete sich deutlich ein Trampelpfad ab. Los mach schon, hör endlich auf zu grübeln. Er folgte dem Pfad und zog an den wild wuchernden Schlingpflanzen, die den Hang bedeckten. Dabei entdeckte er zwischen den Pflanzen ein Loch, das gerade groß genug war, um hindurchzukriechen. Er krabbelte hinein.
    In dem Hohlraum roch es nach Brennnesseln und Löwenzahn, nach Fuchskot und Öl. Es dauerte ein paar Sekunden, bis seine Augen sich an das Licht gewöhnt hatten. Er verharrte kurz in der Hocke, wischte sich dann den Schweiß von der Stirn und stand vorsichtig auf. Ja, er konnte tatsächlich stehen. Irgendwer hatte in dem dichten Bewuchs eine Art Laube geschaffen. Direkt vor ihm befand sich jetzt die Böschung, hinter ihm ein Vorhang aus Efeu und Brombeersträuchern. Los, und jetzt auf die Knie – komm schon, knie dich endlich hin! Er ging in die Hocke und machte sich an diversen trockenen Ästen und Baumwurzeln zu schaffen, die vor ihm eine Art Geflecht bildeten.
    Obwohl er auf das Schlimmste gefasst war, fing sein Herz wie verrückt an zu rasen, als er sah, was unter den Ästen verborgen war. Ja, er traute seinen Augen kaum. Er blickte auf ein fast kreisrundes Stück Erde, auf dem kaum etwas wuchs, weil der Boden an der Stelle offenbar vor nicht allzu langer Zeit geöffnet worden war.
    Er ließ sich neben dem Kreis zu Boden sinken, inmitten grasbewachsener Klumpen urzeitlichen Londoner Lehms, hielt seine Fesseln umklammert und fing am ganzen Körper an zu zittern.
     
    »Mensch, man kann ja von hier aus sogar den Ballon in Vauxhall sehen.« Ayo Adeyami ging schnurstracks ins Wohnzimmer auf der rückwärtigen Seite des Hauses, kniete sich auf Benedictes Sofa, öffnete das Fenster und lehnte sich hinaus. »Und da drüben ist das London Eye.«
    »Tja – genau.« Benedicte streifte in der Küche ihre Schuhe ab und stellte Smurf eine Schale Wasser hin. Die beiden Frauen hatten gemeinsam mit ihren Ehemännern im Pizza Express zu Abend gegessen. Doch dann hatten sich Ayos Mann Darren und Hal entschlossen, noch »auf ein Bier« in dem Lokal zu bleiben, und die beiden Frauen waren schon mal vorausgegangen und hatten Josh und Smurf mit nach Hause genommen. Ayo hatte die Aufgabe übernommen, während des Cornwall-Urlaubs der Familie Church Benedictes Pflanzen zu gießen, obwohl sie das Haus noch gar nicht gesehen hatte.
    Sie war aufrichtig begeistert. »Echt fantastisch. Super!«
    »Sag ich ja.«
    »Mensch, hier kannst du rumlaufen, wie du willst – sieht dich ja ohnehin niemand.«
    »Du sagst es. Hey!« Sie beugte sich über das hüfthohe Küchenelement und sprach mit Josh, der sich im Wohnzimmer sofort vor den Fernseher gesetzt und die Simpson s eingeschaltet hatte. »Hey, Freundchen, stell mal bitte die Glotze leise, okay. Los, hopp, hopp – wir haben Gäste.«
    Josh nörgelte ein bisschen herum, stellte dann murrend den Ton leiser und legte die Fernbedienung wieder beiseite.
    »Sehr schön – danke.« Benedicte holte eine Flasche Freixenet aus dem Kühlschrank. »Siehst du den Kamin?«, sagte sie, klemmte sich die Flasche zwischen die Beine und versuchte den Korken herauszuziehen. »Ist mit Travatino-Marmor verkleidet.«
    »Ach Quatsch.« Ayo sah sie über die Schulter an und grinste. »Beton, das hat Darren bei uns zu Hause auch so gemacht.«
    »Kluges Mädchen …« Sie verzog das Gesicht und quälte sich mit dem Champagnerkorken. »Die meisten Leute fallen darauf herein.«
    »Die meisten Leute sind ja auch etwas blöde.« Ayo hängte sich noch weiter aus dem Fenster und blickte lächelnd in den milden Abend hinaus. Sie war bereits im siebten Monat schwanger, trotzdem konnte sich ihre Figur immer noch sehen lassen: Ja, von hinten wäre sie mit ihren langen Armen und Beinen sogar fast noch als Teenager durchgegangen. Die wird nie Gewichtsprobleme bekommen, dachte Benedicte.
    »Mit den Hochhäusern dort drüben stimmt irgendwas nicht«, sagte Ayo. Sie verrenkte den Kopf nach links und inspizierte den Arkaig und den Herne Hill Tower am anderen Ende des Parks. »Wirken irgendwie bedrohlich.«
    »Ja, find ich auch – nicht ganz koscher.« Schließlich löste

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