Die Beichte - Die Beichte - Dirty Secrets
Anschlag hochtoupiert, sodass sie an eine Miniaturausgabe von Helena Bonham Carter erinnerte, und ihr die Augenpartien mit Kajal dunkel gefärbt.
Den blauen Glitzerlidschatten, den Tina vor Jahren bei ihr vergessen hatte, hatte sie von Sophies Mundwinkel bis zum Kinn geträufelt. Es sah aus, als hätte sie auf dem Ballkleid von Miss Teenage America herumgekaut.
»Kauf mir Make-up, Daddy.« Sie torkelte auf ihn zu. »Sofort.«
Er wich zur Arbeitsplatte zurück und drückte die Hände vors Gesicht. »Nein - das brennt, das brennt!«
Sophie gluckste begeistert. Gabe nahm sie in die Arme und lächelte Jo an. Doch er klang ernst. »Ich muss weg. Die Staffel ist unterbesetzt.«
»Schäden?«, fragte Jo.
»Wir haben noch keinen genauen Überblick, aber sie brauchen mich.« Er kniete sich neben Sophie. »Tut mir leid, Cricket. Jetzt kann ich leider nicht die Trick-or-Treat-Runde mit dir drehen.« Dann wandte er sich wieder an Jo.
»Nach ersten Berichten heißt es, dass einige Straßen gesperrt wurden.«
Jos Transistorradio meldete Brände und eingestürzte Häuser südlich der Market Street. Umgeknickte Telefonmasten blockierten die Straßen. In mehreren Vierteln waren Stromleitungen gerissen.
Er wirkte besorgt. »Ich komme nicht zu Mrs. Montero durch. Die Babysitterin.«
»Sophie kann doch bei mir bleiben«, antwortete Jo. »Wenn das in Ordnung ist.«
Gabe nickte. Er ergriff die Hand seiner Tochter und setzte sich an den Küchentisch. »Du jagst den Nachbarn hier ordentlich Angst ein, machst du das?«
»Okay«, erwiderte sie halbherzig.
»Tut mir leid, Cricket. Aber das ist meine Arbeit.«
Sie nickte mit gesenkten Augen. Er küsste sie auf den Kopf und stand auf.
Jo begleitete ihn zur Tür. »Wir kommen schon klar.«
»Danke. Auch dafür, dass du sie aufgemuntert hast.« Vorsichtig strich er ihr das Haar aus der Stirn. »Jo, ich …«
Sie legte ihm den Finger auf den Mund. »Wir reden später. Jetzt musst du dich erst mal um deine Arbeit kümmern.«
Für einen langen Moment sah er ihr in die Augen. Schließlich nahm er ihre Hand und küsste sie auf die Innenseite. Dann war er durch die Tür und lief die Stufen hinunter.
Das Gerichtsgebäude lag als Gewirr von Gängen im herbstlichen Zwielicht. Hastig steuerte Perry auf die nächste
Brandtür zu und riss sie auf. Von dort rannte er zwei Treppen hinunter und landete in einem anderen Korridor. Wie lang noch, bis die Notgeneratoren ansprangen?
Überall in den Fluren liefen Leute herum. Er musste raus. Der Stromausfall hatte ihm eine einmalige Chance eröffnet. Wenn er es hier rausschaffte, würde er verschwinden. Auf Nimmerwiedersehen.
Er sprintete zum Ende des Korridors, immer auf der Suche nach einem Ausgang. Nie wieder Knast. Mit jedem Schritt füllte sich seine Lunge mit frischer Luft, und die Gewissheit in ihm wuchs. Nie mehr zurück in die verschlossene Zelle an der Bucht, zurück in den Lärm und das Durcheinander, wo er ohne Stimme eingeschlossen war im pausenlos brodelnden Zorn anderer Männer.
Wenn er aus dem Kasten hier rausfand, konnte ihn Skunk abholen. Gemeinsam würden sie die Kerle aufstöbern, die ihn ausgeraubt, gefoltert und zum Krüppel gemacht hatten. Dann konnte er endlich Vergeltung üben. Dazu musste er nur dieses beschissene Gerichtsgebäude hinter sich lassen. Er fand eine Hintertreppe und stieß die nächste Brandtür auf. Der Schacht war stockfinster. Von unten hörte er vorsichtige Schritte, die sich nach oben tasteten. Er packte das Geländer und stürmte abwärts.
Genau einen halben Absatz weiter unten schaltete sich die Notbeleuchtung ein. Grelles Halogengeisterlicht, das alles in Schwarz und Weiß tauchte.
Die Schritte unter ihm wurden schneller und klangen jetzt sicherer. Ein Mann stieg die Treppe herauf. Pray setzte ein strenges Gesicht auf und trabte weiter. Der Mann war klein und grauhaarig und trug einen Begräbnisanzug. Er wirkte
müde und angespannt. Wie ein ängstliches Eichhörnchen. Mit einem flüchtigen Blick auf Perry setzte er seinen Weg fort.
»Entschuldigen Sie«, sagte er auf einmal.
Perry lief weiter. Kurz darauf hörte er erneut Schritte, die ihm nun aber folgten. Der Grauhaarige hatte die Richtung gewechselt.
»Entschuldigen Sie, Sir, nur einen Augenblick«, rief er.
Ohne seinen Sprachgenerator konnte ihm Perry nicht antworten. Also ignorierte er ihn.
»Entschuldigen Sie.« Die Schritte wurden schneller. »Haben Sie hier irgendwo Marshals gesehen?«
Marshals? Er blieb stehen und drehte sich um.
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