Die Beichte - Die Beichte - Dirty Secrets
zurannte.
»Cohen, hol die Sanitäter, schnell.«
Verschreckt blickte der Gerichtsmediziner auf.
Die Augen. Im Display der Digitalkamera hatte das Gesicht der Beifahrerin schneeweiß geleuchtet, und ihre Augen waren halb geschlossen, dunkel und leer. Doch als Jo sie aus der Nähe betrachtet hatte, waren die Augen weit aufgerissen und schimmernd blau. Blau, weil sich ihre Pupillen zusammengezogen hatten.
Die Augen von Toten reagieren nicht auf Licht.
»Barry, sie lebt noch«, brüllte sie.
Ohne sich um die Vorschriften für die Spurensicherung zu scheren, stürmte sie zum BMW. Cohen hastete ihr nach.
Die Beifahrerin hatte sich nicht bewegt. Ihre Augen waren noch immer offen. In ihren Wimpern hatte sich Blut gefangen wie Schminke.
Jo legte der Frau zwei Finger an den Hals, um nach der Halsschlagader zu suchen. »Können Sie mich hören?«
Keine Reaktion. Keine Bewegung. Sie spürte keinen Puls. Doch ihr eigenes Herz hämmerte so fest, dass sie nichts anderes wahrnahm.
»Können Sie mich hören? Blinzeln Sie, wenn Sie mich hören.«
Cohen kam dazu. »Was machst du da?«
Hatte sie es sich nur eingebildet? War sie so durcheinander, dass sie …
Die Frau blinzelte.
»O mein Gott«, ächzte Cohen.
Jos Körper schaltete auf Turbo. Durch ihre Adern pumpte Adrenalin, eisige Schauer jagten ihr über die Arme, ihr Herz sprang in den sechsten Gang, und der Blutdruck brandete hoch, dass die Bilder vor ihren Augen zu zappeln begannen. »Bewegen Sie sich nicht. Wir holen Sie hier raus.«
Sie hörte Cohen nach den Sanitätern schreien. Schließlich glaubte sie auch einen Puls am Hals der Frau zu spüren. Sie war jung, jünger als Jo, und zu Staub zermalmt. Der Blitz einer Kamera hinter ihr löschte alle Farben im Auto.
Die Lippen bewegten sich. Die Frau rang nach Luft.
Durch das Pochen des Bluts in ihren Ohren meinte Jo aus dem Mund der Frau einen Laut vernommen zu haben. Sie lehnte sich in den Wagen. Ein weiterer Blitz verwandelte das Gesicht der Beifahrerin zu Kreide. Wieder zogen sich ihre Pupillen zusammen, und der Schmerz furchte ihre Augen. Ihre Lippen öffneten sich.
»Was?«, fragte Jo.
Ihre Stimme war nur ein leiser Hauch. »Schluss.«
Jo drehte sich um, um den Polizeifotografen anzufauchen - aber er war es nicht, es waren die Presseleute hinter dem Absperrband. Sie beugte sich über das Gesicht der Frau, um sie vor den Kameras zu schützen. »Halten Sie durch. Gleich kommen die Sanitäter. Die Feuerwehrleute werden Sie da rausschneiden.« Sie wandte sich wieder nach hinten und brüllte: »Kommt schon.«
»Schluss«, flüsterte die Beifahrerin.
Jo berührte sie an der Schulter. »Ich weiß, es ist schwer. Aber wir holen Sie da raus.« Sie legte ihr wieder die Finger an den Hals. Da, jetzt hatte sie den Puls.
Die Sanitäter kamen im Laufschritt mit ihrer Ausrüstung. Die Feuerwehrleute brachten die Rettungsschere. Gemeinsam scharten sie sich um das Auto, bereit zum Eingreifen.
Jo trat zurück. »Bei Bewusstsein, kann sprechen. Puls schwach und unregelmäßig. Pupillen gleich und reagierend.«
Die Rettungskräfte drängten heran. Die Augen der Beifahrerin bewegten sich. Blau, scharf wie Scherben, starrten sie Jo an. Die kalten Finger der Frau krochen um ihr Handgelenk. »Schluss.«
Ein Feuerwehrmann schob Jo beiseite. »Bitte, Doctor, wir müssen anfangen.«
Schwer atmend wich sie nach hinten. Sie fühlte sich wie zerfleischt. Die Frau starrte sie noch immer an. Sie hörte, wie sich die Sanitäter Vitalparameter zuriefen, wie die Rettungsschere loskreischte und sich in das zerknautschte Metall fräste. Langsam wich sie zurück, bis sie über den Randstein stolperte.
Schluss womit?
Ihr Magen fühlte sich hohl an. Sie drückte die Hand dagegen und zwang sich, langsam zu atmen. Sie schaute sich um und bemerkte Cruz am Fuß der Treppe. »Officer«, rief sie, während sie auf ihn zusteuerte. »Was hat die Fahrerin gesagt?«
Cruz drehte sich um. Offenbar verunsichert runzelte er die Stirn.
»Als der BMW neben Ihnen gestoppt hat. Was hat Callie Harding zu Ihnen gesagt?« Ihr dringlicher Ton schien Cruz zu beunruhigen. Sie trat auf ihn zu. »Erzählen Sie es mir.«
Er musterte sie. Seine Stimme klang gequält, als er antwortete. »Hilfe.«
Jo spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich.
»Sie hat die Hand an die Fensterscheibe geknallt und mich direkt angeschaut. Und sie hat ›Hilfe‹ gerufen. Das schwöre ich.« Aus seinen Kriegeraugen leuchtete der Schmerz. »Sie hat mich angefleht, sie zu
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