Die Beichte - Die Beichte - Dirty Secrets
retten.«
KAPITEL 5
»Auf drei.«
Die Sanitäter zählten. Zusammen mit den Feuerwehrleuten hoben sie die Beifahrerin gerade so weit an, dass sie ihr die Halsmanschette anlegen konnten. Vorsichtig, als müssten sie einen Schmetterling transportieren, lösten sie sie aus dem zertrümmerten Wagen. Zart wie Maisbart fiel ihr das blonde Haar ins Gesicht.
Jo versuchte, den Blick der jungen Frau aufzufangen, doch sie starrte unbestimmt ins Leere. Die Sanitäter schnallten sie auf eine Bahre und trugen sie eilig zu einem Rettungswagen. Einer von ihnen hielt einen Tropf. Ein Infusionstropf für ein Häufchen Elend. Nur selten war sie einem derart zerbrechlichen und verletzten Menschen begegnet. Und noch seltener war es vorgekommen, dass einer von ihnen überlebt hatte.
Barry Cohen stand daneben und fuhr sich mit den Fingern durch den roten Bart. Er überwachte genau, wie die Sanitäter die Patientin in den Unfallwagen hievten. »Ich versteh nicht, wie ich das übersehen konnte.«
Die Ambulanz fuhr los und schleuderte rote und blaue
Lichtstreifen über die Straße. Cohen schien sie zu spüren wie Peitschenschläge.
»Hast du sie untersucht?«, fragte Jo.
»Palpation. Konnte keinen Puls tasten. Und ein Reagieren auf Licht habe ich auch nicht bemerkt.« Schließlich wandte er sich zu ihr um. »Gut, dass dir das aufgefallen ist.«
Ein Adrenalinschauder kroch ihren Arm hinab. Ein unangenehmes Gefühl. Mühsam schob sie es beiseite, während sie sich auf den Rettungswagen konzentrierte, der in das Lichtermeer der Stadt eintauchte und in die Market Street einbog.
»Gott sei Dank hab ich nicht die Lebertemperatur gemessen, um den Todeszeitpunkt zu bestimmen«, murmelte Cohen matt.
Hätte man der Frau das Äquivalent eines Fleischthermometers in die inneren Organe gestochen, hätte man den Zeitpunkt des Todes auf dem Bericht mit O Scheiße eintragen können. »Wer hat ihren Tod festgestellt? Die Sanitäter?«
»Ja. Ich geh der Sache nach.«
Wenn es sein Fehler war, würde er das unumwunden zugeben. »Da hab ich keinen Zweifel, Barry.«
Er setzte ein müdes Lächeln auf. »Danke.«
Sie hob den Daumen zum Abschied.
Weiter hinten unterhielt sich Lieutenant Tang mit Callie Hardings Chef. Als Jo auf die beiden zusteuerte, merkte sie, dass auch ihr die Kälte inzwischen in die Knochen gesickert war.
Hardings Chef wirkte mitgenommen. »Das ist ein schmerzlicher Verlust für die Strafverfolgungsbehörden, genauso
als wäre ein Polizeibeamter gestorben. Ich möchte, dass Sie mich über die Ermittlungen auf dem Laufenden halten.«
Lieutenant Tang nickte. »Selbstverständlich.« Die Arme verschränkt, bedachte sie Jo mit einem warnenden Blick. »Darf ich vorstellen, Jo Beckett, unsere Beraterin für forensische Psychiatrie - Bundesstaatsanwalt Leo Fonsecca, Leiter der Abteilung Strafverfolgung.«
Fonsecca war schmächtig und zerknittert. Unter der grellen Straßenlaterne erinnerte er mit seinem schütteren Haar und dem Bassetgesicht hinter der randlosen Brille an einen Grabhüter. Er schien untröstlich. Doch seine Stimme blieb glatt und pointiert wie ein Dolch. »Mir ist unerfindlich, weshalb die Polizei hier einen Psychologen hinzuziehen muss. Ich glaube keine Sekunde, dass sich Callie umgebracht hat.«
»Ich bin Psychiaterin, Mr. Fonsecca«, erwiderte Jo. »Ich kann helfen festzustellen, ob Ms. Harding Selbstmord begangen hat oder nicht.«
»Von mir aus. Auf jeden Fall möchte ich, dass Sie alles Erdenkliche tun, um zu klären, was mit meiner Anwältin passiert ist. Kein Geschacher, keine Propaganda, kein Blödsinn.«
Tang war sichtlich aufgebracht. »Das ist selbstverständlich, Sir. Und ich kann mir denken, dass Dr. Beckett ausführlich mit Ihnen sprechen will. Morgen. Passt das?«
»Natürlich.« Jo hatte Tangs stumme Botschaft begriffen: Nicht hier, nicht jetzt. Mund halten.
»Rufen Sie meine Sekretärin an«, antwortete Fonsecca.
Als Officer Cruz vorbeischritt, stürzte sich Lieutenant Tang auf ihn, möglicherweise als Vorwand, um das Gespräch
mit dem Bundesstaatsanwalt zu beenden. »Könnte es sein, dass außer Ihnen noch ein anderes Fahrzeug Hardings BMW verfolgt hat?«
»Hab niemanden bemerkt«, entgegnete der junge Cop. »Und die Straßen waren leer. Wenn da ein anderer Wagen gewesen wäre, hätte mir das auffallen müssen.«
»Überprüfen Sie die Läden weiter vorn, wo die Verfolgung angefangen hat. Finden Sie raus, ob die Videoüberwachung was aufgenommen hat.« Sie deutete auf die Tunneltreppen zur
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